Vesuv-Ausbruch verwandelte Hirnmasse in Glas

  28 Februar 2025    Gelesen: 65
  Vesuv-Ausbruch verwandelte Hirnmasse in Glas

Ein Ausbruch des Vesuvs zerstörte das antike Pompeji, die Stadt und ihre Bewohner wurden unter meterdicker Vulkanasche begraben. Bei einem der ausgegrabenen Opfer fällt eine Besonderheit im Gehirn auf: organisches Glas. Wie es zu dem weltweit bislang einmaligen Fall kam, erklärt nun ein Forschungsteam.

Beim Ausbruch des Vesuv im Jahr 79 nach Christus kamen in Pompeji und benachbarten Orten Tausende Menschen ums Leben. Aber nur bei einem der inzwischen etwa 2000 gefundenen Opfer wurde das Gehirn vermutlich zu organischem Glas umgewandelt - mit teils erhaltenen Nervenstrukturen. Welche äußeren Extrembedingungen dafür erforderlich waren, berichtet ein Forschungsteam im Fachjournal "Scientific Reports".

Bei dem Opfer in der Stadt Herculaneum handelt es sich vermutlich um einen etwa 20 Jahre alten Mann, der möglicherweise als Wächter im Collegium Augustalium arbeitete, einem Versammlungsort zu Ehren des Kaisers Augustus. Er hatte auf einem Holzbett gelegen, als das Unheil seinen Lauf nahm.

Seine Überreste waren 1960 in der antiken Stadt unter einer Schicht vulkanischer Asche freigelegt worden. Im Jahr 2020 hatte ein Team um den forensischen Anthropologen Pier Paolo Petrone von der Universität Neapel Federico II im "New England Journal of Medicine" berichtet, im Schädel des Mannes glasartige Gehirnreste entdeckt zu haben, die vermutlich durch die enorme Hitze entstanden seien.

Nun beschreibt Petrone zusammen mit einem Team um den Geologen Guido Giordano von der Universität Rom III, wie diese verglaste Masse wohl entstanden ist. Demnach muss sich das Gewebe zunächst extrem erhitzt haben und danach so schnell abgekühlt sein, dass die Flüssigkeit beim Erstarren nicht kristallisierte, sondern zu einer amorphen Masse wurde.

Für organisches Glas gibt es nur ein Beispiel

Natürliches Glas sei auf der Erde nicht selten, schreibt die Gruppe. Es kann etwa durch Blitzeinschläge entstehen oder - im Falle des vulkanischen Glases Obsidian - durch die schnelle Abkühlung von Lava. Im Gegensatz dazu enthalte organisches Gewebe jedoch viel Wasser. Für organisches Glas gebe es bisher nur ein einziges bekanntes Beispiel: die Gehirnreste des jungen Mannes aus Herculaneum.

Dass es sich bei dem im Schädel gefundenen Klumpen tatsächlich um das Gehirn handelt, schließt das Team unter anderem aus enthaltenen Rückständen von Proteinen und Fettsäuren, wie sie in menschlichem Hirngewebe vorkommen. Auf Glas deute das schwärzliche, glänzende Aussehen hin, das stark an Obsidian erinnere. Ko-Autor Joachim Deubener von der Technischen Universität Clausthal betont, für einen Glaszustand sprächen alle untersuchten Indikatoren - sowohl kinetische als auch strukturelle Aspekte.

Gehirn auf deutlich über 510 Grad erhitzt

Nach einer Reihe von Untersuchungen - etwa per Rasterelektronenmikroskop (REM) und Raman-Spektroskopie - sowie nach thermischen Analysen gelangte das Team zu dem Schluss, dass es für die Entstehung des organischen Glases nur ein mögliches Szenario gegeben haben kann. Demnach muss das Gehirn zunächst auf deutlich über 510 Grad erhitzt worden sein. Dafür allerdings hätten die pyroklastischen Ströme aus heißen Gasen und vulkanischem Material, das Herculaneum unter sich begrub, nicht ausgereicht, argumentiert die Gruppe. Zudem wäre das Gehirn unter einer solchen Schicht zu langsam ausgekühlt.

Stattdessen sei bei der Eruption des Vesuv zunächst eine extrem heiße Aschewolke entstanden, die die erforderliche Temperatur erreicht und sich nach wenigen Minuten aufgelöst habe, sodass die Hitze rapide wieder zu Umgebungstemperatur abflaute.

Auch Schädelknochen spielten eine Rolle

Zu dem Prozess trugen der Studie zufolge auch die dicken Schädelknochen bei: Sie verhinderten demnach beim Erhitzen, dass das Hirngewebe augenblicklich verdampfte. Während der raschen Abkühlung halfen sie bei der sogenannten Vitrifikation, dem Übergang in den Glaszustand.

Die extrem heiße Wolke selbst habe nur eine dünne Ascheschicht auf dem Boden hinterlassen. Erst später folgte den Ausführungen zufolge der pyroklastische Strom. Er habe die Region unter einer meterdicken Schicht begraben und - so das Team - das bereits verglaste Gehirn damit für die Nachwelt konserviert.

Bleibt die Frage: Warum sollte bei der Katastrophe nur ein einziges Gehirn zu Glas geworden sein, bei bislang etwa 2000 gefundenen Opfern? Das könne mit dem speziellen Fundort in Kombination mit anderen Faktoren zusammenhängen, vermutet Erstautor Giordano. Während viele Menschen am Hafen umgekommen seien, während sie möglicherweise auf Hilfe warteten, habe der junge Mann im Stadtzentrum in einem geschlossenen Raum im Bett gelegen.

Quelle: ntv.de, Walter Willems, dpa


Tags:


Newsticker