Volkswagen zeigt auf der weltgrößten Automesse in Shanghai ab Mittwoch zum ersten Mal Elektroautos, die vollständig in China für China entwickelt wurden. Dahinter steckt ein tiefgreifender Strategiewechsel, wie das "Handelsblatt" berichtet. Der Konzern plant demnach eine neue Elektroplattform, die "China Scalable Platform" (CSP). Sie soll in China erstmals ohne externe Entwicklungs- oder Softwarepartner entstehen.
Bisher entwickeln die Wolfsburger vor allem aus Deutschland heraus für die ganze Welt. Mit der chinesischen Plattform verschieben sich somit deutlich die Machtverhältnisse im Konzern. Hintergrund ist dem Bericht zufolge, dass die konzernweite Zukunftsplattform für China zu spät kommen würde. Mitte 2027 sollen demnach die ersten CSP-Modelle vom Band rollen, zunächst ein großer E-SUV und eine E-Limousine. Mit der konzernweiten Plattform wäre es mindestens drei Jahre später geworden.
Doch VW steht in China unter Druck. "Die Preise fallen und fallen, der Wettbewerb wird härter", sagte vor kurzem Volkswagens China-Chef Ralf Brandstätter. Zwar verdient der Autobauer dort nach eigenen Angaben immer noch gutes Geld mit Verbrennern, die Volksrepublik hat sich allerdings ganz der Elektromobilität verschrieben, und da fährt VW hinterher. Nicht mehr die Niedersachsen verkaufen die meisten Neuwagen, sondern der chinesische Konkurrent BYD. Hinzu kommen Dutzende neue chinesische Hersteller.
Neues System auch fürs automatisierte Fahren
VW braucht seinen wichtigsten Einzelmarkt allein schon wegen dessen Größe auch in Zukunft, der Absatz in China lässt sich nicht einfach durch andere Märkte ausgleichen. 2,93 Millionen Fahrzeuge und damit fast ein Drittel seines Gesamtabsatzes verkaufte der Konzern im vergangenen Jahr in der Volksrepublik. Die Zahl sinkt jedoch stark, im Jahr zuvor waren es noch 3,2 Millionen Neuwagen. Im ersten Quartal 2025 nahm der Absatz weiter ab, um gut sieben Prozent. Bei den E-Autos ging es in China sogar um 37 Prozent nach unten.
Auch beim automatisierten Fahren will Europas größter Autobauer deshalb zur chinesischen Konkurrenz aufholen. Das Gemeinschaftsunternehmen Carizon, an dem die VW-Softwaretochter Cariad sowie der chinesische Partner Horizon Robotics beteiligt sind, haben ein automatisiertes Fahrsystem entwickelt, das Assistenzfunktionen auf dem Level 2 Plus bietet und den Weg für die Weiterentwicklung zu Level 3 ebnen soll.
Auf dem Level 2 Plus kann das Auto bereits viele Funktionen übernehmen, selbstständig lenken und bremsen sowie weitgehend alleine durch den Verkehr navigieren. Die Verantwortung bleibt dabei beim Fahrer, der weiterhin die Augen auf die Straße richten muss. Auf Level 3 darf der Fahrer in bestimmten Situationen seine Aufmerksamkeit auf anderes richten, muss allerdings zur Not eingreifen können.
Export von China in andere Länder
Ab dem kommenden Jahr soll die Technik in neu entwickelten Kompaktwagen eingeführt werden, also auch preissensiblen Kunden zur Verfügung stehen. BYD hatte im Februar für Aufsehen gesorgt, als der chinesische Elektroautobauer autonome Funktionen auch für seine Einstiegsmodelle anbot.
Volkwagens aktuelle Pläne für China dürften nur der Anfang sein. Von der neuen chinesischen Plattform könnten einzelne Hardware-Komponenten perspektivisch sogar in die konzernweite Plattform einfließen, zitiert das "Handelsblatt" eine mit den Plänen vertraute Person. Außerdem könnten die neuen E-Autos aus China in andere Märkte verschifft werden, die nicht von Beschränkungen für chinesische Technik betroffen sind.
Nach Vietnam liefert VW bereits von China aus. Konzernchef Oliver Blume sagte vor wenigen Tagen der "Frankfurter Allgemeinen": "Auch Länder wie Indonesien, Malaysia und die Philippinen zeigen große Offenheit für Elektroautos aus chinesischer Produktion."
Quelle: ntv.de, chl/DJ/rts
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