“Dorf der Witwen“ in Indien

  13 Oktober 2015    Gelesen: 601
“Dorf der Witwen“ in Indien
Wer im indischen Peddakunta einen Job oder seine Rente haben will, muss über die Schnellstraße 44. Doch die Überquerung ist gefährlich. Fast alle männlichen Dorfbewohner haben bei dem Versuch, auf die andere Seite zu kommen, schon ihr Leben verloren.
Indiens Straßen sind als gefährlich bekannt, als eng, kurvig, voller Schlaglöcher und ohne richtige Randbegrenzung. Obwohl schnurgerade, mit ebenem Asphalt und deutlichen Fahrbahnmarkierungen ausgestattet, trägt auch die Schnellstraße 44 im südindischen Bundesstaat Telangana zum schlechten Ruf bei. Ihre vier Spuren führen mitten durch das Dorf Peddakunta - und die Ortschaft hat inzwischen fast alle männlichen Einwohner durch Unfälle verloren. Alle in der Region nennen Peddakunta nur noch "das Dorf der Witwen".

Auf der einen Seite vom Highway 44 stehen die Häuser von Peddakunta, auf der anderen Seite befindet sich die Dorfverwaltung. Nur dort bekommen die Bewohner Rente oder finanzielle Unterstützung, nur dort können sie Jobangebote aus anderen Dörfern finden. Seit die Straße vor neun Jahren gebaut wurde, starben etwa 25 männliche Dorfbewohner bei dem Versuch, sie zu überqueren. Heute leben in den Hütten der 35 Familien von Peddakunta nur noch Frauen, Kinder und Alte - und ein Mann im besten Alter.

Kurra Asli hält ein ausgeblichenes Schwarzweißfoto ihres Ehemanns in die Höhe. "Er starb beim Überqueren der Straße, ebenso mein Bruder und mein Vater", sagt die 23-Jährige bitter. "In unserer Familie gibt es keinen einzigen Mann mehr, der sich um uns kümmert". Eine andere Witwe zeigt ein Schwarzweißbild von ihrem Mann, wie er mit zertrümmertem Fuß tot auf der Straße liegt.

"Wir haben niemanden, der uns unterstützt"

Seit Jahren bitten die Bewohner von Peddakunta darum, eine Fußgängerbrücke zu bauen oder die vierspurige Straße zu untertunneln. Doch alle Bitten und Anträge blieben ungehört, wie die Witwen berichten. "Niemand hilft uns, sie kommen, machen Fotos oder Videos und gehen wieder - und nichts passiert", klagt K. Maani, die ihre drei Kinder allein durchbringen muss. Die 38-Jährige kocht gerade auf einem Lehmherd das Essen für ihre Familie. Geld für einen Gasherd hat sie nicht, geschweige denn für ein Badezimmer. "Wir haben niemanden, der uns unterstützen könnte", sagt sie.

Jährlich sterben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation mehr als 230.000 Menschen bei Verkehrsunfällen in Indien. Neben dem schlechten Zustand vieler Straßen geben Experten dem unzureichenden Fahrtraining und dem waghalsigen Fahrstil vieler Inder eine Mitschuld. Wenigstens hier will die Regierung in Neu Delhi Abhilfe schaffen, ein Gesetzentwurf verschärft die bisher laxen Verkehrsregeln deutlich. Dass damit dem "Dorf der Witwen" geholfen wird, ist allerdings zweifelhaft.

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