Ein Versprechen namens Khan

  07 Mai 2016    Gelesen: 868
Ein Versprechen namens Khan
Londons neuer Bürgermeister hat es als Sohn pakistanischer Einwanderer bis an die Spitze geschafft. Versuche, ihn als Extremisten zu diffamieren, scheiterten.
Die Londoner haben sich für die Hoffnung entschieden. So wird es Sadiq Khan sehen, neuer Bürgermeister der britischen Hauptstadt. "Ich bitte heute alle Londoner, Hoffnung vor Angst zu wählen", hatte der 45-Jährige in seiner letzten Rede vor der Abstimmung am Donnerstag gesagt. Im Wahlkampf hatte Khans Konkurrent der konservativen Torys, Zac Goldsmith, immer wieder versucht, ihn in die Nähe islamistischer Extremisten zu stellen und ihn als radikal bezeichnet.

Goldsmith war sich sogar nicht zu schade, in der Boulevardzeitung Daily Mail einen Gastbeitrag zu veröffentlichen, der mit einem Bild eines bei den Terroranschlägen 2005 zerstörten Busses bebildert ist und in dem Goldsmith Labour und Khan Freundschaften mit Extremisten vorwirft.

Doch die Negativkampagne verfing bei den Wählern offensichtlich nicht. Sie haben Khan gewählt, der seine Biografie auch selbst zu einem der zentralen Themen seines Wahlkampfs gemacht hatte. Anders als sein Konkurrent aber erzählte er das Bild des märchenhaften Aufstiegs eines Einwanderkindes. Eine Geschichte, die sich blendend verkauft.

Khan wurde in London als Sohn pakistanischer Einwanderer geboren. Sein Vater war Busfahrer, seine Mutter arbeitete zu Hause als Näherin. Khan ist das fünfte von acht Kindern, er besuchte öffentliche Schulen und hatte zahlreiche Jobs, um sich sein Jurastudium zu finanzieren. Kein Interview, keine Rede, in der Khan nicht über seine Biografie spricht – und diese Aufstiegsgeschichte mit London verknüpfte. "London war die helfende Hand für meine Familie", sagte er in einem Interview mit der BBC im Februar 2016.

Noch heute wohnt er im Arbeiterviertel

Khan, der vor seiner politischen Karriere als Menschenrechtsanwalt arbeitete, wuchs in einer kommunalen Wohnsiedlung im Londoner Stadtteil Tooting auf. Arbeitermilieu, weit im Süden Londons, politisch fest in Labour-Hand. Noch heute wohnt Khan mit seiner Frau Saadiya, ebenfalls Anwältin, und den zwei Kindern dort. Keine Fotogelegenheit ließ er sich dort im Wahlkampf entgehen, denn neben der Brexit-Debatte, die insgesamt die Regionalwahlen in Großbritannien beherrschte, geht es in London vor allen Dingen um eins: die Wohnungsnot und die astronomischen Immobilienpreise. Mehr als 670.000 Euro kostet laut dem Office of National Statistics eine Wohnung in London, das Zehnfache eines durchschnittlichen Jahreseinkommens der Bürger. Nichts, was sich eine Krankenschwester oder ein Lehrer leisten könnte.

Khans größtes Wahlkampfversprechen, das er jetzt einlösen möchte: Wohnraum schaffen und bis 2020 die Hälfte aller neu geschaffenen Wohnungen bezahlbar zu halten. 80.000 Wohnungen pro Jahr will Khan in London bauen lassen und die London living rent einführen, eine Miete, die maximal ein Drittel des Durchschnittseinkommens des jeweiligen Stadtteils betragen darf. Außerdem will Khan die übliche Praxis unterbinden, dass Investoren Appartements aufkaufen, die dann leerstehen. London hat seit Jahren einen Immobilienmangel, unter dem scheidenden Bürgermeister Boris Johnson wurden weniger als 30.000 neue Wohnungen im Jahr errichtet. Khan, der gleichzeitig angekündigt hat, der wirtschaftsfreundlichste Bürgermeister Londons sein zu wollen, hat eine riesige Aufgabe vor sich.

Abschrecken wird ihn das nicht. Bei Auftritten wirkt Khan äußerst zielstrebig, er spricht schnell und hat stets ein freundliches Wahlkampflächeln drauf. Neue Herausforderungen nimmt er, ganz Politprofi, schnell an: Mit dem umstrittenen Labour-Chef Jeremy Corbyn, den Khan mit zum Parteivorsitzenden gemacht hat, zeigte er sich im Wahlkampf selten. Vom Londoner Ex-Bürgermeister Ken Livingstone, der Adolf Hitler als "Unterstützer des Zionismus" bezeichnet hatte und dafür aus der Partei flog, distanzierte er sich. Inhaltlich hat er die klassischen linken Themen drauf. Er ist für den Verbleib Großbritanniens in der EU und setzt sich für LGTB-Rechte ein, unter anderem spricht er sich für die Homo-Ehe aus.

Und dann hat Sadiq Khan auch noch die Sache mit dem Essen fast richtig gemacht. Kaum etwas ist ein größeres PR-Debakel, als im Wahlkampf über ein Essensbild zu stolpern. In New York werden Bürgermeister danach bewertet, wie sie ihre Pizza essen. In Großbritannien erlebte Ed Miliband im Wahlkampf 2015 ein Desaster, als er ein Speck-Sandwich auf unvorteilhafte Weise aß. Für Twitter-User ein Festtag. Was machte Khan also? Laut Guardian hat er in der Öffentlichkeit einfach gar nicht gegessen. Disziplin hat er damit schon mal bewiesen.

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