Kükenschreddern bleibt erlaubt

  21 Mai 2016    Gelesen: 636
Kükenschreddern bleibt erlaubt
Das Oberverwaltungsgericht Münster hält das massenhafte Töten männlicher Küken für mit dem Tierschutz vereinbar. Grund dafür seien fehlende Alternativen für die Betriebe.
Die umstrittene Praxis, männliche Küken nach dem Schlüpfen zu töten, verstößt nicht gegen das Tierschutzgesetz. Das Oberverwaltungsgericht Münster billigte das Töten der Tiere, sofern dafür ein vernünftiger Grund vorliege, teilte der Senat mit. Die Aufzucht der ausgebrüteten männlichen Küken sei für die Brütereien mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand verbunden, lautet die Urteilsbegründung.

Für die Produktion zum Beispiel von Frühstückseiern züchten die Betriebe Legehennen. Die dafür bevorzugte Hühnerrasse ist darauf getrimmt, möglichst viele Eier in kurzer Zeit zu legen. Bei der Zucht sortieren die Agrarunternehmen männliche Küken aus, da sie keinen Nutzwert haben – und auch für die Mast nicht genügend Fleisch ansetzen würden. Dadurch werden in Deutschland pro Jahr schätzungsweise 50 Millionen männliche Küken getötet.

Das Geschlecht der Tiere erkennen die Kükenbrütereien erst nach dem Schlüpfen mit sogenannten Hühnersexern, die per Hand mit geübtem Blick feststellen, was männlich und was weiblich ist. Männliche Küken werden dann noch im Verlauf des Schlüpftages getötet, größtenteils mittels Gas.

Das Gericht begründete weiter, es müssten bei der Kükentötung "ethische Gesichtspunkte des Tierschutzes und menschliche Nutzungsinteressen" gegeneinander abgewogen werden, ohne dass einem der Belange ein strikter Vorrang zukomme. Die Aufzucht der männlichen Küken stehe im Widerspruch zum erreichten Stand der Hühnerzucht und den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, hoben die Richter hervor. Die technischen Verfahren, um nur noch Eier mit weiblicher DNA auszubrüten, seien noch nicht praxistauglich.

Der nordrhein-westfälische Landesumweltminister Johannes Remmel (Grüne) wollte das Töten 2013 per Erlass unterbinden. Er bezeichnete das Urteil als "herbe Niederlage für den Tierschutz". In seinem Bundesland sind zwölf der bundesweit 30 Kükenbrütereien ansässig. Gegen den Erlass waren elf betroffene Brütereien erfolgreich vor die Verwaltungsgerichte gezogen und hatten recht bekommen. Das Münsteraner Gericht bestätigte deren Entscheidungen jetzt.

Geschlecht der Küken vor dem Schlüpfen erkennen

Nordrhein-Westfalen ist nicht das einzige Bundesland: Auch Hessen hat die Kükentötung verboten. Und im Deutschlandfunk forderte der niedersächsische Agrarminister Christian Meyer (Grüne) ein Verbot durch den Bund. Der Bund ist aber gegen ein deutschlandweites Embargo. Agrarminister Christian Schmidt (CSU) begründet das damit, dass Gefahr bestehe, dass die Brütereien ihre Arbeit ins Ausland verlagern. Schmidt favorisiert eine technische Lösung, bei der die Brütereien das Geschlecht des Kükens noch im Ei bestimmen können.

Die könnte es bald geben. Ende 2016 soll ein Forschungsprojekt in Leipzig/Dresden abgeschlossen sein, bei dem ein Gerät mit Lasertechnologie ein kleines Loch in das drei Tage bebrütete Ei fräst und dann mit einer Nah-Infrarot-Raman-Spektroskopie das Geschlecht des Embryos bestimmt wird. Entsteht eine Henne im Ei, wird das abgeschnittene Schalensegment wieder angeklebt und das Küken ausgebrütet. Wenn es ein Hahn ist, wird das Ei weggeworfen. In diesem frühen Entwicklungsstadium empfinden die heranwachsenden Tiere noch keinen Schmerz.

Die Geschlechtsprüfung und der Wiederverschluss des Eies dürfte nur wenige Sekunden dauern. 2017 soll diese Methode einsatzreif sein. Die Bundesregierung hat mehr als drei Millionen Euro in das Forschungsprojekt gesteckt. Nach Schätzungen des Agrarministeriums in Düsseldorf wird das neue Gerät zur Geschlechtsbestimmung zwischen 80.000 und 90.000 Euro kosten.

Tierschützer fordern Zweinutzungshühner

Tierschützer hatten eine Abkehr vom bisherigen System verlangt, etwa durch die Zucht von sogenannten Zweinutzungshühnern, die als Eier- und Fleischproduzenten eingesetzt werden können. Ob das wirtschaftlich ist, soll ein Versuch zeigen, den das Landwirtschaftsministerium mit einer solchen Zweinutzungsrasse auf einem Versuchsgut in Niedersachsen fördert. Es wäre ein weniger arbeitsteiliges Produktionssystem, die Hennen würden weniger Eier legen, und auch die Masthähnchen wären keine Turbohähnchen.

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