Guardiola geht in die Knie - und ist weg

  22 Mai 2016    Gelesen: 602
Guardiola geht in die Knie - und ist weg
Es ist kein triumphaler Erfolg, mit dem sich Josep Guardiola vom FC Bayern verabschiedet. Aber der Trainer geht als Sieger, mit der Meisterschale sowieso - und nun auch mit dem DFB-Pokal. Ein letztes Mal gibt er sich seinem Pathos hin.
Josep Guardiola wusste, dass es vorbei war. Erst streckte er beide Fäuste in Richtung Haupttribüne und genoss einen Moment des Triumphs. Dann schlugt er beide Hände vors Gesicht und ging in die Knie. Als ersten seiner Spieler, die an diesem Samstagabend zum letzten Mal seine Spieler waren, umarmte er Douglas Costa, den Mann, der den entscheidenden Elfmeter verwandelt hatte. Dann ging er über den Rasen des mit 74.322 Zuschauern vollbesetzten Berliner Olympiastadions - und weinte. Immer wieder rieb er sich mit der rechten Hand die Tränen aus dem Gesicht. Er wusste, er hat es geschafft. Josep Guardiola hat sich mit einem letzten Titel vom FC Bayern verabschiedet. Auch wenn er hinterher sagte, dass das nicht so wichtig sei: "Für mich sind Titel nur Nummern. Aber die Fans sind jetzt zufrieden. Diese drei Jahre beim FC Bayern waren für mich überragend."

In seinem letzten Spiel haben die Münchner, die nun nicht mehr seine Münchner sind, die Borussia aus Dortmund in einem hochklassigen Pokalfinale der beiden besten Fußballmannschaften besiegt. "Hier sind zwei super Teams aufeinandergetroffen, die alles gegeben haben", sagte Bayerns Kapitän Philipp Lahm. "Aber man hat schon gesehen, dass wir die fittere Mannschaft waren." Dennoch: Die Dortmunder seien stets gefährlich gewesen. In der Tat war es kein triumphaler Erfolg, nach 120 Minuten waren immer noch keine Tore gefallen, sodass eine Lotterie namens Elfmeterschießen entscheiden musste, ob Josep Gurdiola als Sieger geht. "Das ist eine Situation, die kannst Du nicht kontrollieren." Wohl war. Im vergangen Jahr habe der BVB im Halbfinale gewonnen. "Und heute wir." So einfach kann das sein. Und Josep Guardiola wird es als Geheimnis mit zu Manchester City nehmen, ob er nach diesem letzten Sieg wirklich so gerührt war, oder ob da ein Meister der pathetischen Inszenierung geht.

Ein Stilbruch zwar, aber was soll`s?

Was bleibt, sind fünf von sechs möglichen nationalen Titeln in drei Jahren, in dieser Saison durfte es wie in seiner ersten das Double aus Meisterschaft und Pokal sein. Und ein Josep Guardiola, der nach der Siegerehrung über den mit goldenem Lametta bedeckten Rasen schritt und jeden seiner Spieler mindestens zweimal umarmte und herzte. Sogar das weiße Pokalsieger-T-Shirt zog er sich über seinen grauen Pullover. Ein Stilbruch zwar, aber was soll`s? Es war vorbei. Der Rest war die übliche Sieger-Folklore. Mit seinen Spielern ging er in die Ostkurve, dorthin, wo sonst die Fans der Hertha stehen. In diesem Endspiel waren dort die Anhänger des FC Bayern zu Gast: "Uns zieht keiner die Lederhosen aus." Die Spieler ließen ihren Trainer hochleben und warfen ihn in die Luft. Aufgefangen haben sie ihn auch. "Super-Bayern! Super-Bayern!" Und tatsächlich, fast etwas versteckt, hing dort in der Kurve ein kleines, einsames Plakat, auf dem stand: "Danke Pep."

Was blieb, war eine letzte Frageviertelstunde mit Josep Guardiola, die sich wenig von denen in den vergangenen drei Jahren unterschied. Prägende Elemente: Komplimente, Lob und besagter Pathos. "Es war eine Riesenriesenehre hier zu sein. Es war die richtige Entscheidung, nach Deutschland zu kommen, und diesen Wahnsinnsverein zu trainieren." Der Sieg gegen Dortmund? Ach ja, der sei verdient gewesen. Schließlich habe seine Mannschaft die meiste Zeit den Ball gehabt. Oder wie Thomas Müller es sagte: "Ich denke, das Spiel haben wir doch deutlich dominiert." Und wie es Josep Guardiola sagte: "Elfmeterschießen ist Elfmeterschießen." Aber dass sich seine Mannschaft das erforderliche Glück verdient habe, daran zweifelte er nicht. Am Ende war es so, dass müde Männer nach einer langen Saison irgendwie versuchten, den Ball vom Punkt ins Tor zu befördern. Den Dortmundern Sven Bender und Sokratis Papastathopoulos gelang das nicht, da fiel es beim FC Bayern nicht ins Gewicht, dass Joshua Kimmich ebenfalls verschoss.

Großes Lob für Philipp Lahm

Dementsprechend gut gelaunt waren die Münchner, die ihren Trainer bei der Ehrung auf dem Podest fürsorglich in ihre Mitte genommen hatten. Und Kapitän Lahm drückte ihm schließlich den Pokal in die Hand, obwohl Josep Guardiola ihn gar nicht wollte. Gefreut hat er sich dann aber doch: "Ich danke Philipp für diesen Moment." Und überhaupt sei Lahm "der erste Rechtsverteidiger, der von dieser Position aus das Spiel dominiert." Und: "Er spielt immer gut. Ich habe noch kein schlechtes Spiel von ihm gesehen." Dafür gebühre ihm ein Platz in der Ahnenreihe der ganz großen des Vereins, auf Augenhöhe mit Franz Beckenbauer, Gerd Müller und Karl-Heinz Rummenigge. Da waren sie also wieder, die drei Konstanten: Komplimente, Lob und besagter Pathos.

Dem wollte sich auch Thomas Müller nicht entziehen: "Man muss kein Romantiker sein, um zu merken, was los ist. Josep Guardiola hat enorm viel investiert." Schließlich sei es so: "Ich glaube, es ist kein Spaß, sich vor jedem Spiel vier Partien des Gegners in voller Länge anzuschauen, obwohl man das Ergebnis vorher schon kennt. Dementsprechend muss man da auch mal ein bisschen hinter die Kulissen denken, um die Arbeit eines Menschen wertzuschätzen, der vielleicht für die Medien und die Öffentlichkeit nicht so greifbar war. Er hat uns auf jeden Fall individuell und als Mannschaft besser gemacht." Das klingt nach einem sehr versöhnlichen Abschluss. Und Josep Guardiola, was macht er jetzt? Er bleibe noch eine Woche mit seiner Familie in München. Und dann? "Urlaub." Er weiß, es ist vorbei.

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