Deshalb stehen CDU und CSU so schlecht da

  25 Mai 2016    Gelesen: 519
Deshalb stehen CDU und CSU so schlecht da
Die Union mit Angela Merkel über Jahre unbesiegbar - so schien es. Bis zum Herbst lagen CDU und CSU in Umfragen noch bei mehr als 40 Prozent, dann kam der Absturz. Politikwissenschaftler Gero Neugebauer erklärt im Interview, warum.
n-tv.de: In der neuen Forsa-Umfrage rutscht die Union auf 33 Prozent. Im Dezember lagen CDU und CSU noch bei 39 Prozent. Warum?

Gero Neugebauer: Die Union kehrt zu den Größenordnungen zurück, in denen sie sich lange aufgehalten hat. Wer die Zustimmung vor der Wahl 2009 beobachtet, sieht, dass das gar nicht so außergewöhnlich ist. Das Jahr 2013 und die Werte von mehr als 40 Prozent, die die Parteien mit Kanzlerin Angela Merkel erreicht haben, waren ein Ausreißer. Der Absturz liegt daran, dass die Bürger keine Lösungen sehen für die Probleme, die sie bewegen. Mehr als zwei Drittel der Menschen sagen: Die allgemeine Situation gefällt mir nicht. Viele haben beispielsweise das Gefühl, dass die soziale Ungleichheit zunimmt. Die Regierung geht viele kurzfristige Dinge an und handelt die Tagesordnung ab, große Vorschläge für die Zukunft macht sie aber nicht.

Warum kann die Union nicht davon profitieren, dass die Flüchtlingskrise als großes Thema vorerst verschwunden ist?

Die Flüchtlingskrise war für viele nur ein Vehikel, um den Unmut darüber zu äußern, wie die Politik Probleme löst. Dahinter verbirgt sich eine allgemeine Unsicherheit. Die Flüchtlingskrise hat deutlich gemacht, wo die Malaisen der Verwaltung sind, wo es Lücken in der Sicherheit und Fragen der Verteilung gibt. Viele Menschen sind auch nicht gerade froh darüber, dass die Europäische Union offenbar wenig in der Lage ist, Krisen oder Entwicklungen abzufedern. Bisher hatten die Deutschen Vorteile durch die Globalisierung, nun haben sie Angst, die Nachteile zu erleben.

Welchen Anteil an den schlechten Umfragen hat der seit Monaten andauernde Streit zwischen den Unionsparteien?

Das gestörte Verhältnis zwischen CDU und CSU trägt dazu bei. Für den Erfolg ist es wichtig, geschlossen aufzutreten. Das gilt nicht nur für die Führung, sondern auch für das Verhältnis zwischen der Führung und den Mitgliedern. Der Streit zwischen CDU und CSU zeigt, dass die Union nicht mehr einheitlich wahrgenommen wird. Man muss sich nur die Aussagen eines Markus Söder anhören, der sagt, die beiden Parteien seien nur noch weit entfernte Verwandte. Schwestern sind doch keine weit entfernten Verwandten! Da werden die Menschen natürlich stutzig. Das senkt das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit von Parteien und ihre Fähigkeit, Probleme zu lösen. Das Aufkommen der AfD zeigt auch, dass die Union ihre Integrationsfähigkeit nach rechts verloren hat.

Die SPD hat in den vergangenen Monaten auch verloren. In den meisten Umfragen kommt sie nur noch auf 20 Prozent. Woran liegt`s?

Die SPD hat zurzeit keine Themen, mit denen sie als Partei wahrgenommen wird, die eine Alternative zur Union bietet - weder in der Flüchtlingsfrage noch bei der Integration oder der Zukunftslösung bestimmter Probleme. Es zeichnet sich ab, dass die SPD im Bereich Steuer- und Rentenpolitik wieder versucht, Profil zu gewinnen. Da lässt sich die alte Kennzeichnung als Partei der sozialen Gerechtigkeit wieder aufpolieren. Die großen Parteien verlieren auch deshalb, weil sie in die Mitte gehen und die Ränder zurücklassen. Das sind heute nicht mehr nur die sozial Deklassierten und Abgestiegenen. Zu den Rändern gehören auch Menschen, die gerne aufsteigen wollen, sich aber nicht genug gefördert sehen. Menschen, die befürchten müssen, dass ihr sozialer Status durch eine Entwicklung gefährdet ist. Wenn die Sozialdemokratie in dieser Situation ihre Rolle als Partei der kleinen Rolle aufgibt, überlässt sie den Teil der Gesellschaft nicht nur den Linken, sondern auch der AfD.

Die Volksparteien stehen noch schlechter da als bei der Bundestagswahl 2009. Ist der hohe Zuspruch nachhaltig verloren oder ist das nur ein kurzer Ausreißer?

Die großen Parteien werden kleiner, die kleinen werden plötzlich zweistellig. Mit dem Begriff der Volksparteien kann man nicht mehr so viel anfangen. Union und SPD benutzen den Begriff auch nur zur Selbstlegitimation. Für sie ist die Situation schwierig, weil ihnen die großen Gruppen verloren gegangen sind. Die Industriearbeiterschaft ist nicht mehr so wie früher. Die Sozialdemokraten gehen in die Stahlindustrie und sagen den Arbeitern: Wir werden eure Arbeitsplätze verteidigen. Aber im Hinterkopf wissen sie, dass es in Deutschland zu teuer ist, Stahl zu produzieren. Bergbau ist weg, Schiffbau, all diese großen Bereiche. Wir entwickeln uns zu einer Dienstleistungsgesellschaft ohne vergleichbar große Gruppen. Deshalb dümpeln die großen Parteien vor sich hin.

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