Sicher, es gibt andere Ohrwürmer, die man sich im Laufe der Jahre schön gehört hat, weil sie mit einer besonderen Erinnerung verbunden sind. Ich meine, wer lässt sich schon seinen Geburtstag vermiesen, nur weil einem die von den beiden Kentucky-Schwestern Patty und Mildred Hill vor knapp 100 Jahren verfasste "Happy Birthday to you"-Melodie schon seit Kindergarten-Zeiten auf den Nerv geht? Und wer würde seine Angebetete vor dem Traualtar stehenlassen, nur weil dem Orgelspieler nichts Besseres einfällt, als den Mendelssohn-Hochzeitsmarsch vom Stapel zu lassen? Manch Melodie steht einfach über den Dingen. So viel ist sicher.
Es gibt aber auch Klangdauerschleifen, die sich einfach so, ohne jeglichen persönlichen Bezug, in den Gehörgängen festsetzen und da auch nicht mehr rauswollen. Eine dieser kurzweiligen musikalischen Lebensversicherungen für deren Urheber feiert dieser Tage 30. Geburtstag. Die Rede ist von einer der wohl bekanntesten Keyboard-Melodien der Neuzeit. Ich spiel` mal an: Tüdedüdüüüü, tüdedüdüdüüüüü, tüdedüdüüüü … Na? Erkannt? Genau: die Einstiegsfanfare vom Europe-Gassenhauer "The Final Countdown".
Als Single sorgte der Song zwar bereits im Februar 1986 für Furore. Aber für die Massen aufbereitet wurde der Track erst mit der Veröffentlichung auf dem gleichnamigen dritten Studiowerk der schwedischen Hairspray-Rocker. Und das erschien bekanntlich am 26. Mai des Jahres, in dem Reinhold Messner endlich seinen letzten Achttausender bezwang.
Danke für den Ohrwurm!
Ich will der Band um Front-Beau Joey Tempest grundsätzlich gar nichts Böses. Auf dem Album tummeln sich schließlich opulente Rock-Pop-Perlen wie "Rock The Night" oder "Heart Of Stone", die ich auch heute noch aus dem Archiv krame, wenn mir nach aufgeplustertem Stadionrock ist. Aber "The Final Countdown"? Geht gar nicht! Da habe ich schon als damals 14-Jähriger auf Durchzug geschaltet. Tüdedüdüüüüü… Nein. Nein. Nein!
Aber man wird es nicht mehr los. Egal, ob auf einem Sabaton-Konzert, kurz vor dem Zünden der obligatorischen Silvester-Wunschrakete oder vor den Toren des Textil-Discounters, kurz vor dem Run auf die Sommerschlussverkaufsgrabbeltische: Tüdedüdüüüüüü hat einen am Haken. Ob man will oder nicht.
Natürlich gibt es auch noch viele andere Musik-Dauerbrenner, die mit ähnlich viel imaginärer Haftcreme auf die Menschheit losgelassen wurden. Das ist auch kein Fluch der Feuerzeit. Man denke nur an Scott McKenzies Hippie-Hymne "San Francisco" oder die trötige Carl-Douglas-Diskokugel "Kung Fu Fighting".
Musikalischer Quickie
Die Masse an Zweifelhaftem aus der Evergreen-Schatulle stammt aber zweifellos aus den Achtzigern und Neunzigern. Und schon schüttelt es mich wieder, wenn ich mich an kirmesreife Offbeats aus dem Hause Opus ("Live Is Life"), jammernden Alster-Deutschrock im Stile von Clowns & Helden ("Ich Liebe Dich") oder plumpen Schlecker-Rap aus Florida ("Ice Ice Baby") erinnere. Die Liste ist endlos. Drückt man erst einmal auf den One-Hit-Wonder-Schalter, kommen sie alle wieder um die Ecke. Dann schüttelt Lou Bega seinen "Mambo No. 5" aus dem Ärmel, während sich die Crash Test Dummies in monotone "Mmm Mmm Mmm Mmm"-Welten verabschieden.
Der schnelle musikalische Quickie mit Langzeitwirkung ist aber keineswegs nur Männersache. Auch viele Damen der Branche liegen noch heute in ihren Hängematten und spielen mit Tantiemen-Kontoauszügen Mau-Mau (Alannah Myles, Meredith Brooks, Whigfield, und, und, und). Den ultimativen Jackpot haben aber Joey Tempest und Co eingefahren; zumindest so lange Sabaton noch Live-Konzerte geben, Preisfüchse sich in Schnäppchenläden stürzen und die Welt Silvester feiert. Zehn, neun, acht … und alle: Tüdedüdüüü, tüdedüdüdüüüüüü ….
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