Die Anekdote überdeckt den ernsten Hintergrund der Obama-Reise nach Fernost. Es geht um Krieg und Frieden, um Schuld und Sühne. In Vietnam verkündete Obama das Ende des US-Waffenembargos, was noch ein eher technischer Akt war. Aber am Freitag - 71 Jahre nach dem amerikanischen Atombombenabwurf - besucht er als erster amtierender US-Präsident die japanische Stadt Hiroshima. Ein Auftritt von gewaltiger Symbolik. Es ist nicht nur eine Geste an Japan, sondern eine an die ganze Welt.
Aber der Besuch ist kompliziert. Politisch, weil er offen legen könnte, wie festgefahren die globale, nukleare Abrüstungsdebatte ist. Und historisch, weil er Wunden heilen soll, aber in Asien und daheim in den USA auch neue aufreißt. Veteranen haben Obama vorgeworfen, mit seiner Reise nach Hiroshima vor den Japanern auf die Knie zu fallen. Die Republikaner sehen den Besuch als weiteren Beleg dafür, wie sehr sich der Präsident um die Seele anderer Nationen kümmert und wie wenig um die der eigenen Nation. Um eine heftige Debatte zu verhindern, hat Obama im Vorfeld streuen lassen, in seiner Rede nicht um "Entschuldigung" zu bitten.
Obamas gescheiterte Vision
Entsprechend gering sind die Erwartungen auf Seiten des Gastgebers. Obamas Botschaft wird inzwischen akzeptiert in Japan, einer Nation, die sich wegen Hiroshima und Nagasaki gerne mehr als Opfer des Zweiten Weltkriegs wahrnimmt denn als Verursacher. Dem nationalistischen Premier Shinzo Abe kommt der Ansatz des Gastes sogar gelegen. Eine förmliche Entschuldigung würde auf ihn womöglich den Druck erhöhen, auch Pearl Harbor zu besuchen, den US-Flottenstützpunkt auf Hawaii, den Japan 1941 angriff und so den Krieg im Pazifik begann.
Obama, so heißt es, wolle Hiroshima als Bühne nutzen, um in die Zukunft zu blicken. Man darf annehmen, dass er dabei an seine Prager Rede von 2009 anknüpfen wird, in der er eine "Welt ohne Atomwaffen" beschwor - jene Vision, die dazu beitrug, dass er kurz darauf mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Doch die Hoffnungen, die er damals weckte, sind längst verflogen. Gerade Asien ist von einer "Welt ohne Atomwaffen" so weit entfernt wie nie zuvor. Nach den Atommächten China, Indien, Pakistan und Nordkorea liebäugeln selbst Japan und Südkorea mit dem Gedanken, nuklear aufzurüsten.
Dass es so weit gekommen ist, hat Obama mit zu verantworten. Der Besuch am Freitag wirft auch ein Schlaglicht auf seinen gescheiterten Nordkorea-Kurs. Weitgehend tatenlos sah der US-Präsident zu, wie der Kommunisten-Staat zur jüngsten Atommacht aufstieg. Statt - wie seine Vorgänger Bill Clinton und George W. Bush - Gespräche mit Pjöngjang zu führen, trieb Obama es durch immer schärfere Sanktionen noch tiefer in die Isolation. Damit handelte er völlig anders als im Falle Irans, dessen Atomkurs er mit einem Abkommen bremste.
Trump sorgt in Fernost für Entsetzen
Inzwischen verfügt das Kim-Regime nach Schätzungen von Experten über sechs bis acht nukleare Sprengköpfe. Diktator Kim behauptet, mit seinen Raketen die USA angreifen zu können. Übertrieben oder nicht: In Japan und Südkorea sät Kim damit Zweifel, ob die US-Verbündeten sich noch auf den Schutzschirm der westlichen Supermacht verlassen können. Besonders in Seoul denken Teile der Regierung offen darüber nach, nuklear aufzurüsten. Und Tokio hält sich ohnehin die inoffizielle Option offen, eigene Atomwaffen zu bauen.
Für zusätzliches Misstrauen sorgt bei den asiatischen Verbündeten die Frage, wer Obama folgt. Mit großem Befremden nimmt man in der Region die Äußerungen von Donald Trump zur Kenntnis. Er habe nichts dagegen, wenn Japan und Südkorea sich eigene nukleare Arsenale zulegten, sagte der Republikaner kürzlich der "New York Times". Die Botschaft: Hauptsache wir müssen die anderen nicht mehr schützen.
Besonders in Tokio löste Trump mit seinem Ansatz Entsetzen aus: "Die japanisch-amerikanische Allianz ist ein Eckstein der japanischen Außenpolitik", mahnte Premier Abe. Er klang, als wolle er sich selbst Mut machen. Denn eigentlich hatte Trump nur ausgesprochen, was den Partnern auch unter Obama zunehmend Sorge bereitet. Washington scheint vor allem mit sich selbst beschäftigt, in Ostasien verliert es zunehmend an Einfluss.
Obamas geplanter Auftritt in Hiroshima wirkt daher wie ein vorgezogener Abschied. Mutige Initiativen - etwa ein Gesprächsangebot an Nordkorea - sind von ihm kaum zu erwarten. Zwar gibt es einen US-Politiker, der sich dieser Tage bereit erklärt hat, mit Diktator Kim zu verhandeln. Nur ist es leider einer, von dem die asiatischen Verbündeten der USA nicht hoffen, dass er jemals wirkliche Macht erhält: Trump.
Zusammengefasst: US-Präsident Barack Obama reist nach Hiroshima. Es ist ein schwieriger Besuch. Der Besuch ist als Geste an die japanische Regierung gedacht. Aber entschuldigen will sich Obama für den Atombombenabwurf vor 71 Jahren nicht. Der Präsident will an seine Vision einer Welt ohne Nuklearwaffen erinnern. Aber sein Auftritt könnte auch offenlegen, wie verfahren die Pläne für eine nukleare Abrüstung auf der Welt sind: In Asien ist ein wahrer Aufrüstungswettlauf zu beobachten.
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