Dieselgate ist nicht VWs größtes Problem

  31 Mai 2016    Gelesen: 275
Dieselgate ist nicht VWs größtes Problem
Der Dieselskandal ist noch lange nicht ausgestanden - obwohl er in der aktuellen Quartalsbilanz sogar für ein kleines Gewinnplus sorgt. Doch die Konzernführung muss ein altes, tiefer liegendes Problem lösen.
Volkswagen verdient wieder Geld. Nach dem Rekordverlust durch den Abgasskandal im vergangenen Jahr weist der Autobauer einen Nettogewinn von 2,3 Milliarden Euro aus. Das ist deutlich weniger als im Vorjahr. Aber vor allem das operative Ergebnis, also der Bruttoerlös vor Steuern, Abschreibungen und anderen Sondereinflüssen, beeindruckt: Mit 3,4 Milliarden Euro liegt der Wert sogar etwas über dem des Vorjahreszeitraums.

Sie sind noch da, die Auswirkungen des Abgasskandals. Dass der operative Gewinn der Kernmarke VW von mehr als 500 Millionen Euro im ersten Quartal des vergangenen Jahres - in der Vorskandalzeit - auf aktuell 73 Millionen fällt, begründet die Unternehmensführung mit den hohen Aufwendungen, die nötig seien, um die Wagen mit dem VW-Logo trotz der Negativschlagzeilen der vergangenen Monate - etwa mit Preisnachlässen - an den Kunden zu bringen. Der Umsatz der größten und vom Absatzskandal am stärksten betroffenen Konzernmarke ging um gut eine Milliarde Euro auf 25 Milliarden zurück.

Zudem legte Volkswagen 200 Millionen Euro zusätzlich für die Anwaltskosten im Dieselskandal zurück. Mehr als aufgewogen wird diese Rückstellung allerdings durch einen positiven Bilanzeffekt durch die Milliardenrückstellungen des vergangenen Jahres. Durch Währungsschwankungen seien die zurückgelegten insgesamt 16,4 Milliarden Euro im Wert gestiegen. Den Gewinn zahlte sich der Konzern im vergangenen Quartal selbst aus.

Darüber, wie weit der Konzern bei der Aufarbeitung der Dieselthematik ist, sagt all das nichts aus. Wie hoch die direkten Kosten aus dem Skandal allein in den USA sind, ist noch immer nicht klar - in Europa noch weniger. Gut möglich, dass die bisher zurückgestellten Milliarden nicht reichen werden. Noch weniger ist abzusehen, inwieweit das Image der betroffenen Marken langfristig beschädigt ist.

Marge steigern wichtiger als Absatz ankurbeln

Der Fokus auf die "Dieselthematik", wie es im Volkswagen-internen Jargon heißt, verdeckt jedoch, dass vor allem die Kernmarke mit einem viel älteren Problem kämpft: Mit VW-Autos hat der Konzern selbst in guten Zeiten kaum Geld verdient. Selbst wenn, wie Vorstandschef Matthias Müller sagt, es im vergangenen Quartal gelungen ist, "die wirtschaftlichen Auswirkungen der Dieselthematik in Grenzen zu halten" - eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau würde für VW nicht ausreichen.

Obwohl die Kernmarke nach wie vor fast die Hälfte des Konzernumsatzes macht, steuert sie kaum etwas zum Gewinn bei. Vor einem Jahr setze die Marke VW gut 26 Milliarden Euro um und erwirtschaftete daraus einen operativen Gewinn von 514 Millionen Euro, eine Marge von nicht einmal zwei Prozent. Zum Vergleich: Audi verbuchte bei einem Umsatz knapp 15 Milliarden Euro mehr als 1,4 Milliarden operativen Gewinn. Der Effekt, den eine Ankurbelung der Verkaufszahlen und eine Steigerung des Umsatzes von VW auf oder über das Vorkrisenniveau hätte, wäre für die Bilanz des Volkswagenkonzerns viel kleiner als eine höhere Marge, das heißt eine Steigerung der Effizienz.

Der Abgasskandal könnte zwar noch einige böse Überraschungen für VW bereithalten, die Hauptsorge des Managements ist er jedoch nicht mehr. Konzernchef Müller scheint schon einen Schritt weiter zu sein. In seinen Statements zu den Quartalszahlen ist relativ wenig vom Dieselskandal die Rede, sondern davon, dass er Volkswagen in diesem Jahr "grundlegend neu ausrichten" wolle.

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