Im Februar hatte daher SPD-Chef Sigmar Gabriel (SPD) verlangt, dass die Bundesregierung ein Sozialpaket für Deutsche auflegen sollte: "Der Eindruck, wir würden unsere eigenen Bürger vergessen, darf sich nicht festsetzen."
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnte den Vorschlag ab. In der Koalition sei vereinbart, "darauf hinzuarbeiten, dass wir den ausgeglichenen Haushalt bewahren", sagte Merkel damals. "Was zusätzliche Leistungen für die einheimische Bevölkerung betrifft, haben wir eine Vielzahl von Projekten, die wir noch gar nicht umgesetzt haben."
Nun aber gibt die Kanzlerin ein Stück weit nach. Zwar werde es weiterhin keine Extraprogramme geben. Arbeitslose und Hartz-IV-Empfänger müssten aber nicht befürchten, dass staatliche Leistungen wegen der Flüchtlingskrise gekürzt würden, betonte sie in einem "Bunte"-Interview.
Merkel empfiehlt, Flüchtlinge persönlich kennenzulernen
Sie habe Verständnis, "wenn sich Menschen Sorgen machen, die selbst mit wenig Geld auskommen müssen oder arbeitslos sind". Daher gelte: "Alle staatlichen Programme und Hilfen für sie werden selbstverständlich fortgeführt."
Merkel wies darauf hin, dass die Bundesregierung mehrere Programme aufgelegt habe, um den sozialen Wohnungsbau in Ballungsgebieten anzukurbeln: "Diese neuen Wohnungen kommen allen in Deutschland zugute, nicht nur den Flüchtlingen."
Die Veränderungen sollten keine Angst machen, zitierte die "Bunte" Merkel weiter: "Es wird natürlich noch viele Probleme geben, aber auch große Chancen. (…) Unsere Gesellschaft hat sich immer verändert und verändert sich jeden Tag weiter." Sie verwies auf die Digitalisierung der Gesellschaft in den vergangenen Jahren. "Schauen Sie mal 30 Jahre zurück und vergleichen Sie, wie wir damals gelebt haben und wie wir heute leben."
Merkel appellierte: "Jedem, der Angst verspürt, empfehle ich, wenn sich dazu irgendwie Gelegenheit bietet, einen Menschen, der zu uns geflohen ist, einfach mal persönlich kennenzulernen. Es sind Menschen, die vieles erlebt und erlitten haben und genauso wie wir ihre Sorgen und Hoffnungen haben."
"Es hilft nicht, zu glauben, das ginge uns nichts an"
Daher stehe sie auch noch immer hinter der Entscheidung, im Herbst 2015 die Grenzen geöffnet zu haben. Sie würde wieder so handeln.
Allerdings sehe sie auch ein Versäumnis: "Ganz sicher haben wir in Europa zu spät die Augen dafür geöffnet, wie unerträglich die Situation in den Herkunftsländern oder nahe der Heimat geworden war, sodass die Menschen keinen anderen Ausweg mehr sahen, als ihr Schicksal in die Hände von kriminellen Schleppern und Schleusern zu legen", sagte sie.
Denn in Zeiten der Globalisierung dürfe man nicht ausblenden, "dass uns Krisen und Kriege an den Grenzen Europas immer stärker direkt betreffen". Die Kanzlerin weiter: "Es hilft überhaupt nicht zu glauben, das ginge uns alles nichts an. Es geht uns etwas an, und wir müssen neue politische Aufgaben annehmen."
Quelle : welt.de
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