BND-Spionage lässt Ruf nach Reformen lauter werden

  16 Oktober 2015    Gelesen: 514
BND-Spionage lässt Ruf nach Reformen lauter werden
Neue Vorwürfe gegen den Bundesnachrichtendienst (BND) haben den Ruf nach einer umfassenden Reform der Geheimdienstarbeit lauter werden lassen. Der SPD-Geheimdienstexperte Christian Flisek bezeichnete es in Berlin als "extrem besorgniserregend", dass der BND bis 2013 befreundete Staaten ausgespäht habe. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) forderte "strengere Regeln" für die Arbeit des Auslandsgeheimdienstes.
BND-Präsident Gerhard Schindler und das Bundeskanzleramt hatten am Mittwochabend das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestags, dem die Aufsicht über die Geheimdienste obliegt, über problematische Spähaktivitäten in der Vergangenheit informiert. Dabei ging es um Lauschangriffe auf "Botschaften und Institutionen von EU-Staaten und anderen Partnern", die "mit dem Auftragsprofil des BND nur schwer in Einklang zu bringen" seien, wie Flisek berichtete.

Den Angaben zufolge dauerte diese Praxis bis November 2013 an, als BND-Chef Schindler die Anweisung zur Löschung einer vierstelligen Anzahl einschlägiger Selektoren gab. Bei Selektoren handelt es sich um Suchbegriffe, anhand derer der BND gezielt Fernmeldekommunikation - etwa im Internet - nach für ihn interessanten Informationen durchkämmt.

PKGr-Chef André Hahn (Linke) berief für Donnerstagabend eine Sondersitzung des Kontrollgremiums ein. Dabei solle eine "Task Force" gebildet werden, die unverzüglich in der BND-Zentrale in Pullach die Vorgänge untersuchen werde. Hahn sprach von einem "neuerlichen Spionageskandal": Der BND habe "über Jahre hinweg in hochsensiblen Bereichen gegen Freunde und Partner" spioniert.

Bundesjustizminister Maas nahm die neuen Enthüllungen zum Anlass, für die Pläne der SPD zur Reform der Fernmeldeaufklärung durch die Geheimdienste zu werben. Es bedürfe hier strengerer Regeln, "und wir müssen sicherstellen, dass diese Regeln auch durchgesetzt werden", sagte er der "Rheinischen Post" (Freitagsausgabe). Das Parlament müsse mehr Befugnisse und "die ausreichenden Mittel" für die Kontrolle des BND erhalten.

Im Zuge der Affäre um die Lauschaktivitäten des US-Geheimdienstes NSA, die sich offenbar auch gegen Deutschland und andere US-Partner richteten, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gesagt, Ausspähen unter Freunden gehe gar nicht. Flisek kommentierte die neuen Enthüllungen über die Arbeit des BND nun mit den Worten: "Ausspähen von Freunden war beim BND offenbar doch lange akzeptabel."

Grünen-Chef Cem Özdemir erklärte dazu: "Wenn sich das bewahrheitet, wäre das gegen alle rechtsstaatlichen Grundsätze und damit nicht weniger als verfassungsfeindlich."
Diese Einschätzung wurde in den deutschen Sicherheitsbehörden nicht geteilt: Sicherheitskreise verwiesen darauf, dass die entsprechenden Suchbegriffe vom BND rechts- und verfassungskonform eingesetzt worden seien.

Das BND-Gesetz, das die Arbeit des Diensts regelt, verbietet Lauscheinsätze gegen Ziele etwa in anderen EU-Staaten oder in den USA nicht ausdrücklich. Außer Frage stehen dürfte aber, dass ein solches Vorgehen nach Merkels Einlassung zur Spionage unter Freunden vom Sommer 2013 politisch nicht mehr opportun war.

Offen ist, ob das damalige Vorgehen des BND durch das Auftragsprofil gedeckt war, das die Bundesregierung dem Dienst vorgab. Das Auftragsprofil ist Verschlusssache, es liegt nicht einmal dem Kontrollgremium des Bundestags vor. Dessen Vorsitzender Hahn forderte umgehenden Zugang zu dem Auftragsprofil und zu der Liste der problematischen Selektoren.

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