Funktionäre um Blatter bereicherten sich um 71 Mio. Euro
Der Ex-Präsident sowie der frühere Generalsekretär Jerome Valcke und der ehemalige Finanzdirektor Markus Kattner sollen sich laut einer internen FIFA-Untersuchung in den vergangenen fünf Jahren wie in einem Selbstbedienungsladen um mehr als 79 Millionen Schweizer Franken (71,42 Mio. Euro) bereichert haben. Das teilte die FIFA am Freitag mit.
Volle Kooperation
Der Weltverband hat die Unterlagen bereits an die Schweizer Bundesanwaltschaft und die US-Justizbehörde weitergeleitet und eine volle Kooperation angekündigt. Bei den möglichen Bereicherungen geht es laut der von der FIFA beauftragten Anwaltskanzlei Quinn Emanuel um Bonuszahlungen, Gehaltssteigerungen und andere Zuwendungen. "Die Untersuchung hat Beweise für die Verletzung treuhänderischer Pflichten offenbart", teilte die FIFA mit. Es sei klar, dass diese ersten Erkenntnisse weiterer Untersuchungen bedürfen. Die Zahlungen und die Vertragsabschlüsse hätten gegen Schweizer Recht verstoßen.
Die Schweizer Behörden wurden auch schon tätig. Bereits am Donnerstag rückten die Ermittler in der FIFA-Zentrale zur Razzia ein und durchsuchten Büros. "Konkret wurden Dokumente und elektronische Daten sichergestellt, die nun auf ihre Relevanz zum laufenden Verfahren geprüft werden", erklärte die Bundesanwaltschaft, die seit September 2015 gegen Blatter wegen des Verdachts der Untreue und seit März dieses Jahres gegen Valcke wegen des Verdachts der mehrfachen ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie weiterer Delikte ermittelt.
Zugleich hatte die FIFA selbst eine eigene Untersuchung eingeleitet und nun erste Ergebnisse präsentiert. Ausgerechnet zu jenem Zeitpunkt, an dem sich Blatters Nachfolger Gianni Infantino selbst gegen Vorwürfe wegen angeblich unsauberer Amtsführung erwehren muss.
Regelmäßige Bonuszahlungen
Die von der FIFA vorgelegten Zahlen haben es aber trotzdem in sich. So haben sich Blatter und Co. offensichtlich regelmäßig Bonuszahlungen zugeschanzt. Beispielsweise wanderten am 1. Dezember 2010 als Bonus für die WM in Südafrika insgesamt 23 Mio. Schweizer Franken (20,79 Mio. Euro) auf die Konten von Blatter, Valcke und Kattner. Schon ein Jahr später waren es 26 Mio. Schweizer Franken (23,50 Mio. Euro) für die Endrunde 2014, obwohl das Turnier noch in weiter Ferne lag.
Nur ein kleiner Kreis hatte dabei Kenntnis von den Zahlungen, mitunter wurden die Verträge gegenseitig bewilligt. Auch die Unterschrift des 2014 verstorbenen Ex-FIFA-Vizes Julio Grondona, der Vorsitzender der Finanzkommission war, taucht häufig auf.
Doch damit nicht genug. So wurden beispielsweise kurz vor der Präsidentenwahl 2011 die Verträge von Valcke und Kattner kurzerhand um achteinhalb Jahre verlängert, obwohl unklar war, ob Blatter überhaupt wiedergewählt wurde. Die Kontrakte enthielten dabei höchst fragwürdige Klauseln, die gegen Schweizer Recht verstießen.
So wurde etwa geregelt, dass bei einer vorzeitigen Trennung das komplette Gehalt bis zum Vertragsende ausbezahlt werden muss - ungeachtet dessen, ob eine Vertragsauflösung rechtlich begründet sei. Dazu gab es eine sogenannten Schadloserklärung, wonach die FIFA für alle Verfahrenskosten aufkommt, sollte der Mitarbeiter wegen seiner FIFA-Tätigkeit zivil- oder strafrechtlich belangt werden.
Auch Scala taucht auf
Auch der Name vom jüngst zurückgetretenen Chefaufseher Domenico Scala taucht auf, was Infantino besonders freuen dürfte. Der Schweizer hat offensichtlich am 31. Mai die Vertragsverlängerung von Kattner um weitere vier Jahre mit abgesegnet, obwohl nur vier Tage vorher die Schweizer Behörden zusammen mit der US-Justiz am Rande des Kongresses in Zürich mehre FIFA-Topfunktionäre festgenommen hatten. Scala war jüngst zurückgetreten, nachdem das FIFA-Council durch eine umstrittene Reform seinen Machtbereich eingeschränkt hatte. Daraufhin waren Komplott-Vorwürfe gegen Infantino laut geworden.
Die FIFA steckt seit mehr als einem Jahr tief im Skandalsumpf. Blatter, der 1998 zum FIFA-Präsidenten gewählt worden war, hatte im vergangenen Juni kurz nach seiner Wiederwahl angesichts massiver Korruptionsvorwürfe gegen ihn und die FIFA seinen Rückzug angekündigt. Blatter ist von der Ethikkommission bereits für sechs Jahre für alle Fußball-Aktivitäten gesperrt worden. Auslöser war das Bekanntwerden des fragwürdigen Millionen-Deals mit dem früheren UEFA-Präsidenten Michel Platini aus dem Jahr 2011.
Auch Blatters Nachfolger Infantino, der seit 26. Februar den Weltverband anführt, musste sich zuletzt gegen Vorwürfe wehren. Wie die Zeitung "Die Welt" berichtet, droht Infantino eine provisorische Sperre von 90 Tagen wegen des Verdachts auf verschiedene Ethikvergehen. Die Ethikkammer hält sich zur Causa Infantino derzeit bedeckt, zu möglichen Voruntersuchungen bezieht sie generell keine Stellung. Ein formelles Verfahren gebe es derzeit aber nicht.
Quelle: APA