Russland ist der Verlierer des Milliarden-Pokers

  04 Juni 2016    Gelesen: 804
Russland ist der Verlierer des Milliarden-Pokers
Der Preis für ein Fass Öl liegt inzwischen bei rund 50 Dollar. Damit können die Rohstoffmächte Iran, die USA und sogar die Saudis leben. Nur für die Russen ist das Niveau auf Dauer verheerend.

Es ist selten, dass eine Entscheidung, die eigentlich keine ist, so viele Protagonisten glücklich macht. Beim mit Spannung erwarteten Treffen des Ölkartells Opec konnten sich die Teilnehmer nicht auf neue Förderquoten einigen. Als Ergebnis stand, dass alles bleibt, wie es ist. Einmalig an der Situation ist: Nahezu alle Parteien können mit dem Status quo gut leben.

Ein Ölpreis von 50 Dollar je Fass scheint die perfekte Größe für die Rohstoffmächte und die Weltwirtschaft zu sein. Einflussreiche Öl-Nationen wie Saudi-Arabien, Amerika oder der Iran, die sich in den vergangenen Jahren heftig bekämpft haben, können mit dem Ölpreis genauso gut leben wie die deutschen Verbraucher, die weiter relativ günstig Sprit zapfen können. Der totale Ölfrieden herrscht dennoch nicht, denn für einen großen Spieler sind 50 Dollar der ökonomische GAU.

Opec verhindert weiteren Image-Schaden

Beim ersten Blick sieht der Verlauf der Opec-Sitzung auch nach einem Desaster aus. Die Energieminister des Ölkartells konnten sich einmal mehr nicht auf feste Förderquoten einigen. Bereits vor einem Monat waren die Herren des schwarzen Goldes zerstritten auseinandergegangen. Sicher hätten feste Obergrenzen für die Mitglieder kurzfristig den Preis nach oben befördert.

Nur hätte die Opec damit den Märkten mehr versprochen, als sie halten kann. Das Risiko wäre groß gewesen, dass sich einzelne Länder nicht an die Abmachungen halten und damit der Organisation ein weiterer Imageschaden droht. Stattdessen haben sich die Ölminister immerhin auf einen neuen Generalsekretär geeinigt. Der Nigerianer Mohammed Barkindo kann nun in aller Ruhe hinter den Kulissen versuchen, die Kräfte zu einen, um auf der nächsten regulären Sitzung im November einen tragfähigen Kompromiss zu präsentieren.

Saudis wollen keine Preisexplosion

Saudi Arabien ist gerade dabei, das Land grundlegend umzubauen. Die Scheichs wissen, dass sie nur so langfristig ihre Macht sichern können. In seiner Vision 2030 hat der Vizekronprinz Mohammed Bin Salman die neue Marschrichtung vorgegeben. Das Land soll unabhängiger vom Öl werden.

Dazu soll ein Teil des Ölkonzerns Saudi Aramco an die Börse gebracht und der Rest in den Staatsfonds eingegliedert werden. Für den riskanten Umbau des Landes kann das Herrscherhaus maximale Beinfreiheit gut gebrauchen. Damit die Reformen umgesetzt werden, darf der Ölpreis nicht zu hoch sein. Denn dann sind zu hohe Einnahmen ein Fluch und machen träge.

Zu billig darf das Öl aber auch nicht sein. Schließlich musste im vergangenen Jahr der Staatsschatz angezapft werden, um die gesunkenen Öl-Einnahmen zu kompensieren. 50 Dollar scheint für Riad der perfekte Preis, auch wenn für einen ausgeglichenen Haushalt weiter viel höhere Notierungen nötig wären. Aber der wichtigste Rohstoff der Welt ist auch eine Art politische Waffe. Und die 50 Dollar halten politische Gegner wie der Iran oder Russland weitgehend in Schach.

US-Fracker können schnell zurückkehren

Die niedrigen Energiepreise haben vor allem die amerikanische Ölindustrie hart getroffen. Die meisten Fracking-Firmen, die den fossilen Brennstoff aus Gesteinsschichten herauspressen, sind hoch verschuldet und können ihre Anleihen nicht mehr bedienen. Die Zahl der aktiven Bohrtürme ist von gut 1600 auf 316 gefallen.
Doch anders als man wegen des Exodus meinen könnte, handelt es sich bei der Schieferölförderung keineswegs um eine besonders teure Methode, vergleichbar etwa mit aufwendigen Tiefwasserbohrungen oder der Förderung von kanadischen Ölsanden, die sich bei Preisen von 80 oder 90 Dollar erst lohnen.
Die Fracker sind bereits bei 50 Dollar im Geschäft. Zugute kommt den Firmen, dass Fracking eine äußerst flexible Fördertechnik ist. Die Produktion kann sensibel an Preisveränderungen angepasst werden.

Iran kann Produktion weiter forcieren

Der Iran darf sich als einer der großen Gewinner der Machtkampfes fühlen. Das Opec-Mitglied hat sich allen Aufforderungen der anderen Kartell-Nationen, die eigene Förderung nicht weiter zu erhöhen, erfolgreich widersetzt. Nach Aufhebung der westlichen Sanktionen hat sich Teheran zum Ziel gesetzt, seine Ölproduktion möglichst schnell wieder an frühere Niveaus heranzuführen.

Zuletzt war die Rede davon, innerhalb der kommenden Monate mehr als vier Millionen Barrel (je 159 Liter) pro Tag zu fördern. Damit wäre das Niveau aus der Zeit vor den Sanktionen erreicht. Wegen der im Zusammenhang mit dem Atomstreit verhängten Zwangsmaßnahmen hatte der Iran in den vergangenen Jahren lediglich 2,85 Millionen Barrel am Tag produzieren können.

Derzeit liegt die Fördermenge bereits bei rund 3,6 Millionen Barrel. Für Teheran ist der Fördermengen-Poker der vergangenen Monate deshalb perfekt verlaufen. Man konnte an der Forcierung der Förderung festhalten, während der Ölpreis aufgrund der Zurückhaltung der anderen Opec-Staaten dennoch stieg.

Teures Öl fördert Innovationen

Ein niedriger Ölpreis gilt als Gift für den globalen Fortschritt. Ökonomen warnen davor, dass ein zu tiefes Niveau den Drang nach Innovationen hemmt. Ihr Tenor: Dauerhaft billige Energie mache die Menschheit träge.
Flugzeugbauer etwa haben in der Vergangenheit wegen der hohen Kerosinpreise immer spritsparendere Modelle entwickelt. Airbus beispielsweise empfindet den Innenraum künftiger Maschinen dem Gerippe von Vögeln nach oder entwickelt neuartige Bauteile – immer mit dem Ziel, die Maschinen leichter zu machen, um so Kraftstoff zu sparen.

Ist das Kerosin jedoch auf Dauer günstig, können Boeing, Airbus & Co. ihre aktuellen Modellreihen weiter gut verkaufen. Das Verlangen der Fluggesellschaften auf sparsamere Maschinen wäre viel geringer. Auch der Internationale Währungsfonds warnte zuletzt: Die günstige Verfügbarkeit von Öl und anderen fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas könne die Innovationen und Investitionen im Bereich der erneuerbaren Energieträger hemmen.

Die deutschen Verbraucher müssen inzwischen zwar wieder etwas mehr für einen Liter Benzin oder Diesel bezahlen. Doch in den vergangenen zehn Jahren war Sprit selten so günstig wie heute. Bereits im vergangenen Jahr summierte sich die Entlastung für die tankenden Bundesbürger auf rund zwölf Milliarden Euro.
Steigt der Ölpreis in den kommenden Monaten nicht mehr spürbar, wird der Effekt in diesem Jahr ähnlich groß sein. Auch die Millionen Deutschen, die noch immer mit Öl heizen, können sich weiterhin über niedrige Kosten freuen.

Russland ist der große Verlierer

Doch 50-Dollar-Öl ist für einen Spieler besonders misslich: Russland. Der Preis ist zu tief, um die ölabhängige Ökonomie wieder nach vorn zu bringen. Gleichzeitig ist der Preis aber zu hoch, als dass Moskau starke Verbündete für eine Förderobergrenze finden würde. Im vergangenen Monat war eine solche Einigung mit der Opec gescheitert. Der Kreml hat es in der Vergangenheit versäumt, die Ökonomie umzubauen. Gut ein Drittel der Staatseinnahmen und rund 60 Prozent der Exporte hängen am Energieträger. Zwar hat Moskau zuletzt Ausgaben gestutzt, für einen ausgeglichenen Haushalt braucht das Land aber Notierungen von mindestens 70 Dollar.

Der russische Energieminister Alexander Nowak hat nach der Opec-Sitzung postwendend angekündigt, mehr Öl aus dem Boden zu pumpen. Man wolle täglich mehr als 10,8 Millionen Barrel fördern, so viel wie nie seit dem Ende der Sowjetunion. Die Russen nehmen dafür in Kauf, das gerade wieder erreichte Gleichgewicht am Ölmarkt zu zerstören.

Allerdings muss niemand mit einer Ölflut rechnen. Denn die angestrebte Rekordproduktion wird nach Ansicht von Branchenkennern vor allem mithilfe von Lagerstätten bewältigt, die bereits zu Sowjetzeiten ausgebeutet wurden und bald erschöpft sein werden. Experten halten daher für die nächsten Jahre eine Stagnation und anschließend einen Rückgang der Produktionsmenge für gut möglich. Schließlich verfügt Moskau wegen der westlichen Sanktionen nicht über die nötige Technik, neue Ölfelder etwa in der Arktis zu erschließen oder die Ölgewinnung aus Schiefergestein mittels Fracking voranzutreiben.

Der Kreml steckt in der Zwickmühle. Auch ein Umbau der Ökonomie weg vom Öl gestaltet sich aus eigener Kraft schwierig, da das Land wegen der westlichen Sanktionen wichtiges Know-how nicht importieren kann. Der Kreml kann also nur hoffen, dass die amerikanische Fracking-Industrie nicht allzu schnell wieder auf die Beine kommt oder eine kräftige Nachfrage aus China die Ölpreise Richtung 70 Dollar treibt.

Quelle: n24.de





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