Diese ethisch stark umstrittene Idee verfolgen unter anderem Wissenschaftler um den Tiermediziner und Entwicklungsbiologen Pablo Ross von der Universität von Kalifornien. Ihnen sei es nach einem Bericht der BBC nun gelungen, im Körper eines Schweines menschliches Gewebe wachsen zu lassen. Dazu hatten die Wissenschaftler Stammzellen von Menschen in ein Schweineembryo eingepflanzt. Letztes ließen sie 28 Tage lang heranwachsen.
Dass solche Versuche im Labor der Uni Kalifornien stattfinden, war schon länger bekannt. Jedem Experiment dieser Art geht ein umfassendes Genehmigungsverfahren voraus.
Was haben die Forscher gemacht?
Die iPS sind genetisch identisch mit den ursprünglichen Hautzellen. Ein entscheidender Vorteil: Daraus gezüchtetes Gewebe würde nach einer Transplantation vom Immunsystem des Zellspenders nicht abgestoßen werden. Die iPS könnten zudem in Zukunft ein ethisches Problem lösen: Um sie zu gewinnen, muss kein Embryo sterben.
Möglich wurden die iPS, weil die Forschung an echten embryonalen Stammzellen zuvor vier Erbfaktoren identifiziert hatte, die für den jungfräulichen Status der Zelle entscheidend sind.
Im zweiten Schritt wurden an diese nun frei gewordene Stelle im Schweineerbgut menschliche Stammzellen gesetzt, genauer gesagt:induzierte pluripontente Stammzellen, auch iPS genannt. Diese zurückprogrammierten Zellen – etwa aus der menschlichen Haut – besitzen das Alleskönner-Potenzial natürlicher embryonaler Stammzellen. Das heißt: Sie können sich in alle möglichen Arten von Gewebe weiterentwickeln. In Bauchspeicheldrüsenzellen zum Beispiel. Etwas, das einmal ausgereifte Zellen nicht mehr können.
Zu viel Mensch im Schwein?
Die so veränderte befruchtete Eizelle – also ein Embryo im Frühstadium –, pflanzten die Wissenschaftler in die Gebärmutter einer Sau ein und ließen sie dort einige Wochen lang heranreifen. In dieser Zeit hofften die Forscher darauf, dass sich das Schweineembryo normal entwickelt, dessen entstehende Bauchspeicheldrüse am Ende aber nur aus menschlichen Zellen besteht. Ein so gezüchtetes Organ könne eines Tages einem Patienten transplantiert werden, sagte Pablo Ross.
Nach 28 Tagen wurde die Schwangerschaft des Schweins abgebrochen und der Embryo zur Untersuchung seiner Zellen entnommen: Tatsächlich hatte sich ansatzweise so etwas wie Bauchspeicheldrüsengewebe aus den menschlichen iPS-Zellen entwickelt.
Pablo Ross geht davon aus, dass aus den Embryos Tiere geworden wären, die sich wie gewöhnliche Schweine verhalten hätten.
Kritikern reicht das nicht aus. Im vergangenen September hatte die wichtigste Forschungsbehörde der USA, die National Institutes of Health, angekündigt, das Projekt nicht zu finanzieren, bis geklärt sei, welche Konsequenzen die Versuche haben könnten. So befürchten einige Wissenschaftler, die gezüchteten Embryos könnten in irgendeiner Form menschlicher sein als Schweine. Dem widersprach Ross. Der BBC sagte er, es sei sehr unwahrscheinlich, dass den Tieren ein menschliches Gehirn wachse.
Auch Tierschützer kritisierten das Projekt. "Ich werde nervös, wenn ich daran denke, dass wir eine neue Ursache für tierisches Leid erschaffen", sagte Peter Stevenson, der für die britische Organisation Compassion in World Farming arbeitet. Zunächst müssten noch mehr Menschen aufgefordert werden, Organe zu spenden. "Gibt es dann noch einen Mangel, können wir darüber nachdenken, Schweine zu nutzen. Voraussetzung müsse aber sein, dass wir weniger Fleisch essen, damit die Zahl der Schweine gleich bleibt, die für menschliche Zwecke gehalten werden."
Wissenschaftler arbeiten seit Jahren daran, menschliche Stammzellen und tierische Embryonen zu verbinden. Vielfach werden die Organismen, die dabei entstehen, Chimären, also Mischwesen genannt.
Bisher war es nicht gelungen, einen Hybriden zu erzeugen, dem tatsächlich menschliche Organe wachsen. Schweine seien ein idealer "biologischer Inkubator", um menschliche Organe zu züchten, sagte Walter Low, Professor für Neurochirurgie an der Universität von Minnesota der BBC. Neben Bauchspeicheldrüsen könnten auch andere Organe herangezogen werden, wie Herzen, Lebern, Nieren oder Lungen.
Bisher wurde noch keines solcher Tiere geboren, doch darüber, welche Rolle sie einmal haben könnten, sprechen Forscher bereits. So sagte Scott Fahrenkrug, der für die Firma Recombinetics arbeitet: "Vielleicht muss der Begriff Chimäre eine neue Bedeutung bekommen. Die wird dann deutlich liebevoller sein. Chimären werden dann als Heilsbringer gesehen, die unseren Patienten lebenserhaltende Organe liefern."
In Deutschland war die Zahl der Organspender bis zum vergangenen Jahr zurückgegangen. Gab es 2007 noch 1.313 Organspender, waren es 2014 nur 864. Mit 10,8 Spendern auf eine Million Einwohner liegt Deutschland weit unter dem EU-Durchschnitt von 19,5 Spendern. Etwa 12.000 Deutsche warten auf ein neues Organ. Vielevon ihnen vergeblich. Erst am Wochenende sagte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe: "Alle acht Stunden stirbt ein Mensch, weil kein passendes Organ gefunden wird."
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