Sein Reich erstreckte sich quer über Europa und den Atlantik bis nach Südamerika und war das erste Imperium, in dem die Sonne nie untergeht. Der Brief war ein Mahnschreiben, in dem der Habsburger ganz unverblümt aufgefordert wurde, seine Schulden zurückzuzahlen, "zusammen mit den allfälligen Zinsen aufgerechnet und ohne weiteren Aufschub".
Kein normaler Mensch hätte es wagen können, den Kaiser in ultimativer Form zur Rückzahlung eines Darlehens aufzufordern, jenen Herrscher, dem das Volk Heilkräfte zuschrieb und den mancher einen Gott auf Erden nannte.
Doch der Absender des Mahnschreibens war kein normaler Mensch, sondern eine Art Kaiser auf seinem Gebiet, ein Gott des Geldes: Jakob Fugger.
Die Medici sahen blass aus gegen den Superreichen
Zum Zeitpunkt des Schreibens war der Enkel eines Bauern nicht nur der mächtigste Bankier Europas, er war auch der mit Abstand reichste Mann seiner Zeit. Die Medici in Florenz stellte der Augsburger Kaufmann, der von 1459 bis 1525 im Zeitalter der Frührenaissance lebte, weit in den Schatten.
Aber auch heutige Superreiche können sich nicht mit dem Wohlstand eines Jakob Fugger messen, schätzt man dessen Vermögen nach heutiger Kaufkraft.
Auch wenn der Aufstieg des Mannes aus Schwaben seinesgleichen sucht, liefert er doch eine Art Formel dafür, was nötig ist, um nicht nur reich, sondern superreich zu werden. Die Lösung ist ermutigend und ernüchternd zugleich.
Jakob Fugger, der Mann der den Kaiser unter Druck setzen konnte, hat nichts erfunden und nichts entdeckt. Doch er hat auf neue Weise Bekanntes und Bewährtes, etwa die doppelte Buchführung, kombiniert – und damit eine große Managementleistung vollbracht.
Eine weitere Zutat in Fuggers Erfolgsrezept war seine Fähigkeit, Netzwerke zu knüpfen. Er schloss Freundschaften mit den richtigen Personen und hatte kein Problem damit, sie zum passenden Zeitpunkt auch wieder fallen zu lassen.
Neben dieser Skrupellosigkeit besaß er eine weitere Eigenschaft: Er ackerte wie ein Ochse. Aber er wusste auch, allein durch Arbeit würde er nicht reich werden. Fugger scheute sich deshalb nicht, in kritischen Momenten extreme Risiken einzugehen. Er spekulierte. Manchmal ging es schief, doch meistens gewann er. So häufte Fugger ein gigantisches Vermögen an.
Nach Berechnungen des Autors Greg Steinmetz, dessen Buch über "den reichsten Mann der Weltgeschichte" jetzt auf Deutsch im Finanzbuchverlag erscheint, besaß Jakob Fugger am Ende seines Lebens rund 2,1 Millionen Gulden.
Damit war er nicht nur der erste dokumentierte Millionär, sondern stellt auch die Superreichen von heute in den Schatten.
Zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts
Die aktuelle Nummer eins der Reichenliste, der Amerikaner Bill Gates, verfügt ohne Zweifel über einen beachtlichen Wohlstand. Das Gesamtvermögen des Microsoft-Gründers wird auf rund 86 Milliarden Dollar (76 Milliarden Euro) taxiert.
Doch das entspricht nicht einmal 0,5 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung der USA. Jakob Fuggers Vermögensgegenstände hatten dagegen einen Wert von gut zwei Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts seiner Zeit.
Auf heutige Verhältnisse hochgerechnet läge das Vermögen des Bauernenkels bei unglaublichen 400 Milliarden Dollar (354 Milliarden Euro). In die Nähe dieses Wertes kamen nur die Rothschilds, die in ihrer Glanzzeit im 19. Jahrhundert die mächtigste Bankiersfamilie der Welt waren.
Der nach Bloomberg-Informationen reichste Deutsche unserer Tage, der Industrieerbe Georg W. Schaeffler, Gesellschafter der Schaeffler Gruppe und Großaktionär von Continental, bringt es kaufkraftadjustiert gerade einmal auf ein Zwanzigstel des Vermögens von Fugger.
Ein Visionär wie Steve Jobs
Was erlaubte es Jakob Fugger, innerhalb einer relativ kurzen Zeit so unermesslich reich zu werden? Der Augsburger lebte in einer Zeit des Umbruchs. In der Renaissance verschoben sich die geistigen Koordinaten Europas.
Die vorgegebene Ständeordnung des Mittelalters, derzufolge ein Bürger immer Bürger blieb und ein Adeliger immer Adeliger, akzeptierte er einfach nicht. Wenngleich kein intellektueller Mensch, war Fugger ein geistiger Revolutionär, der alles für möglich erklärte.
In dem Punkt erinnert der Augsburger an Apple-Gründer Steve Jobs, der sich mit den scheinbar unveränderbaren Normen ebenfalls nie abfand.
Es gibt noch eine weitere Parallele zu Steve Jobs. Der Apple-Mitgründer hat weder den Computer noch den digitalen Musikspieler noch das Handy erfunden. Doch all die Produkte, die er entwickeln ließ, schufen ein Ökosystem, dem man sich schwer entziehen kann.
Das findet seine Entsprechung in Jakob Fuggers Faktoreien und Manufakturen, die der Augsburger detailversessen zu einem hocheffizienten System ausbaute. Die Mitarbeiter der Faktoreien wurden ebenso wie die Apple-Ingenieure durch ihren manischen Chef zu Höchstleistungen angetrieben, wobei Fugger sich neuer Techniken und Methoden bediente.
Fugger gründete einen Vorläufer der Nachrichtenagenturen
Eben zum Beispiel die doppelte Buchführung, die zwar in Italien schon lange praktiziert, aber nördlich der Alpen noch unbekannt war. Zusätzlich baute er einen eigenen Nachrichtendienst auf, eine Art Vorläufer der Nachrichtenagenturen Reuters und Bloomberg, durch den ihn wichtige Informationen viel früher erreichten als andere Handelshäuser.
So erfuhr Fugger dank seiner Kuriere, dass Schiffe aus England nicht die erwartete Goldladung an Bord hatten. Darauf zog er ein Darlehen rechtzeitig zurück, das ihn ansonsten vielleicht ruiniert hätte.
Dennoch wäre der Höhenflug Jakob Fuggers nicht möglich gewesen, hätte es nicht einen Umbruch in der politischen Landschaft der Alten Welt gegeben. Zu seinen Lebzeiten stiegen die Habsburger zu einer europäischen Großmacht auf. Um diesen Aufstieg zu finanzieren, brauchte die Dynastie Kapital und Waffen.
Beides lieferte ihnen der Augsburger. Und zwar in einem Maße, dass die Existenz der Firma auf dem Spiel stand. Hätte eine verunglückte Kugel Kaiser Maximilian oder später Karl vom Pferd gerissen, hätte das leicht das Aus für das Haus Fugger bedeuten können. Doch es kam anders.
So gehört eben auch ein Quäntchen Glück dazu, ein solch gigantisches Vermögen aufzubauen. Am Ende machte das Geld den Banker mächtiger als den Kaiser. So mächtig, dass er ihm sogar ein Mahnschreiben schicken konnte.
Quelle : welt.de
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