Als Spanien-Pate muss ich natürlich überzeugt sein, dass Spanien Europameister wird. Wobei ich leider bislang nicht als Spielanalyst aufgefallen bin. Also versuche ich es mal mit ein paar Überlegungen zur Wahrscheinlichkeit. Ich bin mir natürlich nicht sicher, aber ich halte es für recht wahrscheinlich, dass Spanien siegt, ungefähr so wahrscheinlich, wie dass Frankreich, Deutschland oder "irgendein anderes Land" Europameister wird (nur dass sich diese vierte Wahrscheinlichkeit alle verbleibenden 29 Länder teilen müssen, also auch England, Belgien und Italien). Alle diese Wahrscheinlichkeiten schätze ich auf grob 25 Prozent. Wie ich darauf komme?
Bei den deutschen Wettfirmen liegt Spanien zur Zeit auf dem dritten Platz, was den EM-Sieg anbelangt, hinter Frankreich und Deutschland. Wer heute auf Spanien tippt, bekommt im Erfolgsfall das 4,5- bis 5,5-Fache seines Einsatzes als Gewinn. Daraus ergibt sich eine Obergrenze der Chancen Spaniens von 1:4,5, das sind 22,2 Prozent. Wobei die Wettanbieter die Chancen Spaniens in Wirklichkeit etwas geringer einschätzen, ohne eine gewisse Marge können sie kein Geld verdienen. Trotzdem behaupte ich mal – was nie beweisbar noch widerlegbar sein wird –, dass Spanien näher dran ist an den beiden Favoriten Deutschland und Frankreich, als die Quoten es vermuten lassen. Warum? Weil sowohl Deutschland als auch Frankreich überschätzt werden von den Wettfirmen.
Zehn Euro auf den Europameister
Auf Deutschland tippen die Deutschen immer sehr eifrig, alleine deshalb sind die Quoten gering (und die sich daraus errechnenden Chancen hoch), andernfalls würden die Wettfirmen einen Riesenverlust machen, wenn Deutschland Europameister wird. Und für Frankreich wird offenbar ein gehöriger Gastgebervorteil eingerechnet. Dieser Vorteil ist allerdings so klein, dass er zuletzt vor 32 Jahren einen Gastgeber zum EM-Sieger machte. Wenn ich also zehn Euro auf ein Land setzen müsste, würde ich auf Spanien setzen, so wegen Chancen-Risiko-Verhältnis.
Die Mannschaft hat seit der WM 2014 den Ruf, überaltert und müde zu sein. Dabei sind die Spieler im Schnitt nur 0,1 Jahre älter als die Franzosen. Okay, die Deutschen sind wirklich ein Stück jünger, mehr als ein Jahr im Schnitt, aber das könnte ein Argument dafür sein, dass die im Jahr 2020 Europameister werden, nicht 2016.
Und noch etwas spricht für Spanien: Sie sind die Kleinsten bei der EM. Die einzige Mannschaft, die im Schnitt kleiner als 1,80 Meter ist. Pelé, Messi, Wolfram Wuttke, diese Namen müssen als Argumente fürs Kleinsein genügen. Vermutlich wird nie wieder eine kürzere Mannschaft zu einer EM antreten. Die letzten Einssiebziger treten an! Das ist wahrhaft historisch. Spanien muss gewinnen, um die Ehre der Männer meiner Größenordnung zu retten.
Warum wird Spanien Europameister?
Weil es ja irgendwann jemand zum dritten Mal in Folge schaffen muss.
Warum vielleicht doch nicht?
Es muss natürlich niemand zum dritten Mal in Folge schaffen. Es kann sein, es passiert ewig nicht.
Auf wen sollte man achten?
Auf Álvaro Morata. Die Wettanbieter schätzen, dass der Spieler, der in den ersten fünf Monaten des Jahres 2016 in der Bild-Zeitung exakt null mal erwähnt wurde, die besten Chancen aller Spanier hat, Torschützenkönig der EM zu werden. Allerdings liegt er nur auf Platz sieben insgesamt, zwei Deutsche und zwei Franzosen sind vor ihm. Das spricht für den spanischen Fußball, wo das muntere Abspiel selbst Zentimeter vorm Tor die Chancen erhöht, dass jeder mal trifft. Morata senkt übrigens den Altersdurchschnitt der Spanier (er ist 23) und hebt den Größendurchschnitt (er ist 1,90 Meter).
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