Massaker an den Herero: Der erste deutsche Völkermord

  07 Juni 2016    Gelesen: 845
Massaker an den Herero: Der erste deutsche Völkermord
Das 20. Jahrhundert hat viele Genozide erlebt - den allerersten beging das Deutsche Reich: Ehe das osmanische Reich mehr als eine Million Armenier tötete, metzelten deutsche Soldaten die Bewohner des heutigen Namibia hin.
Beim Genozid an den Armeniern im osmanischen Reich wurden bis zu 1,5 Millionen Menschen umgebracht. Der Deutsche Bundestag fand vergangene Woche endlich die richtige Bezeichnung für das Verbrechen und nannte es Völkermord. Das Parlament räumte auch die Mitschuld Deutschlands ein - denn das Deutsche Reich ließ die Türken damals als Verbündete gewähren, obwohl das Ausmaß der Massaker bekannt war.

Nach der Entscheidung des deutschen Parlaments vom Donnerstag protestierte Ankara massiv - denn die Türkei bestreitet, dass es sich um einen Völkermord handelte. Am Wochenende nutzte Präsident Recep Tayyip Erdogan dann die Gelegenheit, um an die deutsche Schuld am Holocaust und am Völkermord an den südwestafrikanischen Herero und Nama zu erinnern.

So wie der Völkermord an den Armeniern als gesichert gilt, besteht auch kein Zweifel daran, dass die massenhafte Ermordung der südwestafrikanischen Herero und Nama stattfand. Dennoch hat der Bundestag bis heute dazu keinen Beschluss gefasst, anders als im Fall der Armenier.

Der Mord an den afrikanischen Völkern der damaligen deutschen Kolonie Deutsch-Südwestafrika wurde bislang weder von einem deutschen Kanzler noch vom Parlament offiziell als Genozid bezeichnet. Allerdings veranlasste SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier Mitte 2015 die Anerkennung des Völkermords als offizielle Linie der deutschen Politik. Seitdem gilt: "Der Vernichtungskrieg in Namibia von 1904 bis 1908 war ein Kriegsverbrechen und Völkermord."

Für Genozid-Forscher ist schon länger klar: Der Völkermord an den Afrikanern durch das Deutsche Kaiserreich fand elf Jahre vor den Massakern an den Armeniern statt und war damit das erste derartige Vergehen im 20. Jahrhundert. Das erklärte der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer am Wochenende erneut im SPIEGEL - und nannte es "eigenartig, dass der Deutsche Bundestag bislang nicht den Mut gefunden hat, diese deutsche Schuld klar zu benennen".

Türkische Vertreter, etwa Dogu Perincek von der kemalistisch-nationalistischen Heimatpartei, argumentieren, dass es vor 1948 offiziell keine Völkermorde gegeben haben könne - denn der Straftatbestand sei erst nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen worden. Mit der gleichen Begründung war im deutschen Parlament mehrmals gegen eine Resolution argumentiert worden, welche die Ermordung der Herero und Nama als Völkermord bezeichnet hätte.

"Wie ein halb zu Tode gehetztes Wild"

Dabei hieß es schon in Aussagen deutscher Militärs von Anfang des 20. Jahrhunderts über die Vertreibung der aufständischen Herero in die Omaheke-Wüste: Die wasserlose Gegend solle "vollenden, was die deutschen Waffen begonnen hatten: die Vernichtung des Hererovolks". Der Gegner wurde "wie ein halb zu Tode gehetztes Wild...von Wasserstelle zu Wasserstelle gescheucht".

Weil wider Erwarten einige Herero überlebten, befahl Generalleutnant Lothar von Trotha schriftlich, jeden Herero, auch Frauen und Kinder, innerhalb der deutschen Grenzen zu erschießen. 1904 hatte er sein Wirken als Kommandeur der "Schutztruppe" so beschrieben: "Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik."

Auch ohne Straftatbestand gibt es dafür keine andere Bezeichnung als eben die eine: Völkermord. Mit einer Anerkennung durch den Bundestag käme man der traurigen Wahrheit deutscher Kolonialverbrechen etwas näher.

Lesen Sie mehr zur deutschen Gewaltherrschaft und dem Völkermord an den Herero und Nama zwischen 1904 und 1908:

Deutsche "Schutztruppe" in Afrika: So wurde der Anti-Guerilla-Kampf zum Völkermord
Schlacht am Waterberg: So plante Lothar von Trotha die Ermordung der Herero
Historiker Jürgen Zimmer über die deutsche Kapitulation im Juli 1915

Quelle : spiegel.de

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