Merkel: Müssen im Türkei-Dialog auch Europas Werte behaupten

  16 Oktober 2015    Gelesen: 650
Merkel: Müssen im Türkei-Dialog auch Europas Werte behaupten
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will am Sonntag bei ihrer Reise in die Türkei mit Präsident Recep Tayyip Erdogan auch strittige Punkte ansprechen. Sie verstehe, dass manche besorgt seien, ob es Europa gelinge, mit der Türkei nicht nur aktuelle Interessen in der Flüchtlingskrise zu thematisieren, sondern «immer auch unsere Werte zu behaupten», sagte Merkel am Donnerstag in einer Regierungserklärung zum EU-Gipfel im Bundestag.
Für die Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU gelte, dass die Gespräche ergebnisoffen geführt würden, so die dpa.

In diesem Geist würden der Syrien-Konflikt, die Visa-Fragen, die Türkei als sicherer Drittstaat, der Anti-Terror-Kampf sowie die Menschenrechtslage in der Türkei am Sonntag auf den Tisch kommen. Ohne die Türkei könnten die hohen Flüchtlingszahlen nicht eingedämmt werden, sagte Merkel. Verbessert werden müsse der Grenzschutz: «Es ist nicht hinnehmbar, dass die schmale Meeresrinne, die zwischen der türkischen Küste und den griechischen Inseln, und damit zwischen zwei Nato-Partnern liegt, im Augenblick von Schleppern beherrscht wird», sagte Merkel.

Der Besuch findet nur wenige Tage vor der Parlamentswahl in der Türkei am 1. November statt. Seibert sagte: «Eine stabile Türkei ist in deutschem und auch in europäischem Interesse.» Zugleich verurteilte er erneut die Anschläge vom Wochenende in Ankara, so die dpa. Die EU will die Türkei dazu bewegen, in der Flüchtlingskrise noch enger mit ihr zusammenzuarbeiten. Sie erhofft sich davon eine Begrenzung des Flüchtlingszustroms.

Die CDU setzt trotz der gewalttätigen Auseinandersetzungen in der Türkei auf Gespräche mit Präsident Recep Tayyip Erdoğan über die Bewältigung der Flüchtlingskrise. «Wir haben viel Kritik an Herrn Erdoğan. Er ist in vielem sicher nicht der Wunschgesprächspartner, den man sich erdenken kann. Aber ohne ihn wird eine Lösung nicht möglich sein», sagte CDU-Vize Armin Laschet am Montag in Berlin. «Der Anschlag macht es alles noch komplizierter.» In der Türkei lebten aber zwei Millionen Menschen in Flüchtlingslagern. «Denen eine Perspektive dort zu geben, wird nur mit Herrn Erdoğan gelingen und deshalb müssen die Gespräche weitergehen.»

Auch EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) sagte: «Wir brauchen die Türkei (…). Ohne die Türkei ist eine Bewältigung der Flüchtlingsströme kaum vorstellbar.» Bis zur Parlamentswahl am 1. November werde Ankara aber mit Sicherheit nur eingeschränkt für Verhandlungen und Abstimmungen bereitstehen.

Erst am Samstag wandte sich Merkel mit großer Bestürzung direkt an Premier Davutoğlu. Sie schreibt:

«Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,

mit großer Trauer und Bestürzung habe ich von den mutmaßlichen Terrorakten erfahren, die in Ankara in den heutigen Morgenstunden vielen Menschen das Leben gekostet haben. Ich möchte Ihnen hierzu mein tief empfundenes Mitgefühl aussprechen.

Wenn sich die Hinweise auf terroristische Anschläge bestätigen, dann handelt es sich um besonders feige Akte, die unmittelbar gegen Bürgerrechte, Demokratie und Frieden gerichtet sind. Die meisten Opfer wollten sich zu einer Kundgebung für Ausgleich und Gewaltlosigkeit zusammenfinden.

Diese anzugreifen ist ein gezielter Anschlag auf den Zusammenhalt der Gesellschaft. Es ist ein Versuch der Einschüchterung, ein Versuch Angst zu verbreiten.

Ich bin überzeugt, dass die türkische Regierung und die gesamte türkische Gesellschaft in diesem Moment zusammenstehen und dem Terror eine Antwort der Geschlossenheit und der Demokratie entgegensetzen. Ich möchte Ihnen versichern, dass wir Deutsche in diesen schweren Stunden mit unseren Gedanken und Wünschen bei Ihnen sind.

Bitte übermitteln Sie mein Beileid auch den Angehörigen der Opfer. Den Verletzten wünsche ich rasche Genesung.

Mit stillem Gruß»

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