Faktencheck: Pro Woche werden 15 Vergewaltigungen angezeigt

  08 Juni 2016    Gelesen: 651
Faktencheck: Pro Woche werden 15 Vergewaltigungen angezeigt
Die Sexualstraftaten der vergangenen Monate sorgen für Entsetzen und Verunsicherung – tatsächlich sind Anzeigen bei der Polizei und Meldungen bei Notrufstellen nicht häufiger geworden. Bloß hat zuvor keiner darüber geredet.

Die Vergewaltigung am Praterstern, die einer Linzerin in einem Park oder erst gestern die Meldung, dass die Anklage gegen einen 23-jährigen Mazedonier vorliegt, dem zehn versuchte Vergewaltigungen und sieben sexuelle Belästigungen vorgeworfen werden, die er 2015 in Wien und Niederösterreich begangen haben soll. Und bei unzähligen Gesprächen wird klar: Die Verunsicherung ist groß. Werden Frauen in Österreich von einer Welle der Vergewaltigungen und der Belästigung heimgesucht?

Trotz all der erschreckenden Vorfälle – Statistiken und Experten bestätigen das nicht. Vielmehr waren Sexualstraftaten bis vor etwa einem halben Jahr, Stichwort Köln, Delikte, über die außer in besonders abscheulichen Fällen meist geschwiegen wurde. Gegeben hat es Vergewaltigungen und sexuelle Belästigung aber zuvor genauso, wie Barbara Michalek, die Leiterin des 24-Stunden-Frauennotrufs der Stadt Wien, bestätigt.

Statistisch ist die Zahl der Vergewaltigungen in Österreich in den vergangenen Jahren (inklusive 2015, dem Jahr der massenhaften Flüchtlingsankünfte, für 2016 liegen die Zahlen der Anzeigen nicht vor) nicht gestiegen. 2015 wurden in Österreich 826 Vergewaltigungen angezeigt – die niedrigste Zahl seit 2010. Auch bei anderen Sexualstraftaten – sexueller Belästigung oder geschlechtlicher Nötigung etwa – sind die Zahlen 2015 auf ähnlichem oder niedrigerem Niveau als zuvor, wie eine Auswertung des Bundeskriminalamts für die „Presse“ zeigt. Interessant dabei: Wiewohl die Mehrzahl der Übergriffe im privaten Umfeld geschieht, finden alle paar Tage Vergewaltigungen durch völlig Fremde statt: 2015 wurde beinahe jede zehnte vergewaltigte Frau von einem ihr zuvor völlig unbekannten Mann überfallen – in zusätzlich gut zehn Prozent der Fälle waren die Täter Zufallsbekanntschaften. Taten, die, wenn sie öffentlich werden, für besonderes Entsetzen sorgen – tatsächlich aber noch häufiger sind. Und diese Fälle sind lange nicht alle: Zwar werden Übergriffe durch unbekannte Täter eher angezeigt als Vergewaltigungen durch bekannte Täter, aber die Dunkelziffer bei Vergewaltigung wird generell auf ein Vielfaches der Anzeigen geschätzt.



Mehr Fragen wegen Belästigung

Die erhöhte Sensibilisierung der vergangenen Monate könnte auf die Anzeigenhäufigkeit einen Einfluss haben. Bis Ende 2015 hat sich dieser noch nicht gezeigt. Auch beim Frauennotruf der Frauenabteilung der Stadt Wien (MA 57) wurden zuletzt (Daten liegen bis Ende Mai vor) nicht mehr Berichte über Übergriffe oder Vergewaltigungen registriert: In den ersten fünf Monaten des heurigen Jahres haben sich dort 337 Frauen wegen Vergewaltigung und 58 wegen versuchter Vergewaltigung beraten lassen – das liegt im Rahmen der Vorjahre.

Auffällig ist aber ein Anstieg bei den Beratungsgesprächen zu sexueller Belästigung um 50 Prozent im bisherigen Jahr 2016. Das sei nicht mit Fällen von Belästigung gleichzusetzen, sondern liege an der Sensibilisierung: Seit Herbst 2015 werden mehr Anfragen zum Thema verzeichnet – auch aufgrund der Strafrechtsänderung („Po-Grapsch-Paragraf“) oder weil sich im Zuge der jüngsten Aufregung Bürger mit Fragen oder Beobachtungen melden, wie Michalek sagt. „Das Sicherheitsempfinden ist erschüttert“, sagt Michalek, die es aber grundsätzlich positiv findet, dass Sexualstraftaten nun nicht mehr verschwiegen werden.

Quelle: diepresse.com


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