Warum Flüchtlinge aus diesen Ländern oft kriminell werden

  09 Juni 2016    Gelesen: 1552
Warum Flüchtlinge aus diesen Ländern oft kriminell werden
Das BKA hat erstmals Kriminalität von Flüchtlingen ausgewertet. Aus bestimmten Ländern werden besonders viele Neuankömmlinge straffällig – aus Georgien, Serbien oder Marokko etwa. Das sind die Gründe.
Die Kriminalität von Flüchtlingen in Deutschland ist gesunken. Das geht aus neuen Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) hervor. Doch die Statistik hat zwei Seiten: Es fällt einerseits auf, dass Zuwanderer aus Ländern wie Syrien, Irak oder Afghanistan unterdurchschnittlich oft straffällig werden.

Aber bei Menschen aus anderen Staaten liegen die Zahlen deutlich über dem Schnitt. Das trifft vor allem zu auf Serbien, Nordafrika, hier insbesondere Marokko, und Georgien. Unsere Korrespondenten erklären die Hintergründe.

Nur einen Moment im Café, an der Busstation oder beim Einkauf, und schon ist die Tasche oder das Telefon weg. Kleindiebstahl gehört zum Alltag in marokkanischen Großstädten. "Statt sich ehrlich Arbeit zu suchen, werden sie zu Dieben", sagt Mohammed, ein Maler und Maurer, und gibt damit die Meinung der meisten Marokkaner wieder. Aber Arbeit zu finden ist gerade für die junge Generation sehr schwierig – vor allem auf dem Lande. Die meisten Jugendlichen haben keine Ausbildung. Statt sich für umgerechnet acht Euro als Tagelöhner auf dem Bau abzuplagen, verkaufen sie lieber Drogen oder Diebesgut.

"Viele der Immigranten, die jetzt in Deutschland ihr Unwesen treiben, kommen vom Land", sagt Aziz Allilou, ein bekannter marokkanischer Journalist. "Die Ökonomie der vergangenen Jahre ist zwar eine Erfolgsgeschichte in den Städten, aber die ländlichen Regionen sind die wirklich große Herausforderung für die Zukunft Marokkos."

In manchen dieser Gegenden herrsche noch immer große Armut. Dabei bekamen nach und nach viele Dörfer Wasser, Strom, Straßen und Schulen. Spezielle Programme sollten die Analphabetenrate von rund 40 Prozent senken. Trotzdem sehen junge Leute dort keine Perspektive mehr. Sie ziehen in die Großstädte, auf der Suche nach einem Job, oder gehen nach Europa.

Aber auch in den Städten rutschen noch immer viele Jugendliche durch das soziale Raster – trotz Arbeitsmarktreformen und Auslandsinvestitionen in die Wirtschaft. Familien in den Vorstädten von Tanger, Casablanca und der Hauptstadt Rabat verdienen zwar genug, um sich einen relativ guten Lebensstandard zu sichern. Aber es reicht meist nicht, um die Ausbildung der Kinder zu finanzieren und ihnen damit eine berufliche Karriere zu ermöglichen.

Stattdessen werden die Söhne möglichst früh in die nächstbeste Arbeit geschickt. Was sie dann verdienen, reicht erst nach langem Sparen für die ersehnten Handys, Motorräder oder einen Urlaub. Vorausgesetzt, sie finden überhaupt einen regelmäßigen Job. Aus den Vorstädten streifen sie nur allzu oft in die Stadtzentren, um sich mit Diebstahl ihr Einkommen aufzubessern.

"Bei uns im Viertel gibt es viele Schnüffler, die besonders nachts auf den Straßen sind", erzählt der Tagelöhner Mohammed, der in einem Vorort von Tanger lebt. "Man muss gehörig aufpassen, nichts ist dann mehr sicher." Der Mittvierziger meint die Jugendlichen, die Klebstoff aus Plastiktüten einatmen, um sich zu berauschen. Viele der jugendlichen Immigranten aus Marokko kennen dieses Milieu der Vorstädte nur zu gut. Ohne Qualifikationen ist es in Deutschland für sie nicht minder schwierig, die erträumte, lukrative Stelle zu finden. Da scheint es einfacher zu sein, mit den Kumpels altbekannte, kriminelle Wege einzuschlagen.

Früher war Spanien das klassische Auswanderungsland für Marokkaner. In den vergangenen Jahren gab es dort wegen der Wirtschaftskrise allerdings keine Jobs mehr. Marokkanische Immigranten, die über Jahrzehnte auf der spanischen Halbinsel gelebt hatten, sind deshalb zum großen Teil mit ihren Familien in ihr Herkunftsland zurückgekehrt. Aber viele junge Marokkaner wollten ihren europäischen Traum nicht aufgeben. Sie sind in andere europäische Länder abgewandert, darunter Deutschland.

Georgien

Von der "georgischen Mafia" sprach der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, als er im März versuchte, einen Anstieg der Wohnungseinbrüche zu erklären. Nach seinen Informationen spricht die Mafia gezielt Kriminelle in dem südkaukasischen Land an, um sie nach Deutschland zu schleusen.

Georgien gehört nicht zu den Staaten, aus denen die meisten Flüchtlinge nach Deutschland kommen. Der Großteil der Asylanträge wird abgelehnt, doch die Wartezeit von acht bis zwölf Monaten nutzen die Antragsteller laut Schulz, um Straftaten zu begehen.

Als der georgische Innenminister Giorgi Mgebrischwili im April in Deutschland zu Besuch war, verurteilte er einen solchen Missbrauch des Asylrechts durch seine Landsleute scharf. "Diese Verbrecher mögen in Georgien geboren sein, aber sie sind keine Georgier mit ihrem Herz und ihrer Seele", sagte er. "Sie bringen Schande über Georgien, und die georgische Regierung wird alles tun, um ihnen das Handwerk zu legen."

Die 90er-Jahre waren in Georgien die Zeit der sogenannten "Diebe im Gesetz", in anderer Übersetzung auch "Diebe, die dem Kodex folgen". Diese kriminellen Organisationen agierten im gesamten postsowjetischen Raum. Nach der "Rosenrevolution" von 2003 ging die Regierung von Micheil Saakaschwili mit beispielloser Härte gegen die Mafia vor. Die Strukturen wurden zerstört, viele Mafiosi zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Andere mussten das Land verlassen, viele gingen nach Russland, bei der Rückkehr riskieren sie ihre Festnahme.

Auch wenn die Koalition "Georgischer Traum", die seit dem Jahr 2012 regiert, auf mildere Maßnahmen im Kampf gegen Kriminelle setzt, gibt es keine Anzeichen dafür, dass Georgien zu einem Mafia-Land geworden ist, aus dem Banden in Deutschland gesteuert werden. Eher geht es wohl um osteuropäische Mafia-Gruppen, an denen georgische Staatsbürger beteiligt sind.

Eine Lösung im Kampf gegen die georgische Kriminalität sehen Innenminister Mgebrischwili und sein deutscher Amtskollege Thomas de Maizière darin, Georgien zu einem sicheren Herkunftsland zu erklären. Die Bundesregierung denke "sehr ernsthaft" darüber nach, sagte de Maizière im April.

Georgien unterzeichnete 2014 ein Assoziierungsabkommen mit der EU und legt viel Wert darauf, in Brüssel und Berlin als zuverlässiger Partner, ja Musterknabe wahrgenommen zu werden. Die Berichte über georgische Einbrecher in Deutschland schaden dem Ruf des Landes enorm. Deshalb bemühen sich georgische Polizeibehörden um eine Zusammenarbeit mit Deutschland. Das Land hat Rückführungsabkommen mit Deutschland seit 2008 und mit der EU seit 2011. Im April wurde ein zusätzliches Durchführungsprotokoll mit Deutschland unterschrieben.

Serbien

Serbische Staatsbürger haben kaum eine Chance, als Asylbewerber anerkannt zu werden, insofern liegt der Verdacht nahe, dass die Anträge nur gestellt werden, um nach Deutschland einreisen zu können und dann bis zur Ausweisung gezielt kriminell tätig zu sein. Allerdings stößt die BKA-Statistik bei serbischen Gesprächspartnern und Belgrader Experten teilweise auf Verwunderung. In den Medien ist Kriminalität von Serben im Ausland zwar gelegentlich ein Thema, aber selten in Verbindung mit Asylbegehren.

Der investigative Journalist Slobodan Georgijew verweist auf spektakuläre Fälle organisierter Kriminalität in Serbien, etwa den Fall der Brüder Osmani – die aber Kosovaren sind. Und da zeigt sich ein erstes Problem, was die Aussagefähigkeit der Statistik betrifft.

Belgrad betrachtet das Kosovo als Teil Serbiens. Kosovaren können serbische Pässe beantragen und bekommen. Zwar werden Kosovaren in der BKA-Statistik getrennt geführt, aber wenn sie sich mit serbischen Pässen ausweisen, gelten sie als Serben. Typischerweise sind albanische und kosovarische Clans jedoch eher in Drogenhandel und Prostitution verwickelt, die BKA-Statistik unterstreicht hingegen Eigentumsdelikte als häufigstes Vergehen serbischer Asylsuchender.

Ein deutscher Experte in Belgrad verweist auf das nicht nur in Serbien verbreitete Phänomen, dass manche Roma in Deutschland Asyl begehren und dann straffällig werden. Beispiele dafür fände man in Bulgarien ebenso wie in Rumänien oder Serbien, es sei insofern nichts spezifisch "Serbisches".

Auch die Journalistin Milana Pejic von der Zeitung "Blic" hält das für eine denkbare Erklärung: "In der Flüchtlingskrise haben so viele serbische Roma in Deutschland und Österreich Asyl beantragt, dass die Europäer sogar eine Rückkehr zur Visumpflicht für Serben in Betracht zogen." Beim BKA hieß es dazu auf Anfrage, in der Statistik seien "Roma" als eigene Gruppe von Tatverdächtigen nicht untersucht worden.

Quelle: welt.de


Tags:  


Newsticker