Offene Feindseligkeit

  14 Juni 2016    Gelesen: 1259
Offene Feindseligkeit
Trauer und Furcht: Nach dem Massaker von Orlando sorgen sich Homosexuelle in den USA vor weiteren homophoben Angriffen. Vor allem Donald Trump hat das Klima verschärft.
Es lag eine Schwere und Düsternis in der Luft am Sheridan Square in New York. Mehrere Hundert Menschen, vor allem Schwule und Lesben, hatten sich dort spontan versammelt, um im Gedenken an die Opfer des Massakers in einem Nachtclub in Orlando Blumen niederzulegen, Kerzen anzuzünden und sich gegenseitig in ihrem Schmerz und ihrer Trauer zu stützen. "Es hört nie auf für uns", klagte ein Teilnehmer der Kundgebung und verwies dabei auf die historische Bedeutung des Platzes.

Hier, vor dem Stonewall Inn an der Christopher Street, hatten 1969 Schwule und Lesben gegen willkürliche Polizeigewalt aufbegehrt und damit den langen Kampf für die Rechte von Homosexuellen in den USA begonnen. Zur Erinnerung daran begehen Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transsexuelle weltweit jedes Jahr den Christopher Street Day.

Nun, nach den Schüssen auf die Tanzenden und die vielen Toten in dem Club in Orlando, der bei Homosexuellen beliebt ist, erscheint es vielen in den USA so, als würden die Dinge nie besser, als wäre die Gemeinschaft der Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen (LGBT) niemals sicher.

Für die Versammelten am Sheridan Square war völlig klar, worum es sich bei dem Attentat in Orlando in erster Linie gehandelt habe: um einen gewalttätigen Akt der Homophobie. Dass der Schütze sich vorher bei der Polizei zum IS bekannt hatte, war für sie sekundär. Tatsache sei, dass das Ziel seines Anschlages die Homosexuellen des Landes waren.

In dieselbe Richtung gehen die ersten Reaktionen der amerikanischen Liberalen und Linken auf das Attentat. So kommentierte die linkslastige Nation: "Es war ein Hassverbrechen – egal, was Trump darüber zu sagen hat." Anders als der republikanische Präsidentschaftskandidat und mit ihm ein Großteil der amerikanischen Konservativen wollen linke und liberale Kommentatoren vermeiden, die Debatte über Orlando einseitig auf die Schiene des islamistischen Terrors zu lenken. "Für unseren amerikanischen Kontext ist vor allem wichtig, dass er eine automatische Waffe hatte und sich mit gewalttätiger Homophobie assoziiert hat", schrieb Nation.

Die beiden großen Zeitungen des Landes, die Washington Post und die New York Times,beschäftigten sich ebenfalls ausführlich mit der Frage, ob der Anschlag Teil eines wachsenden Trends offener Feindseligkeit gegen Homosexuelle ist. Die mögliche IS-Verbindung des Attentäters, die bislang nur sehr vage zu sein scheint, war für sie weniger wichtig.

So fragte die New York Times: "Was hat es zu bedeuten, dass das im Juni passiert, dem offiziellen Gay-Pride-Monat? Haben die Fortschritte für Homosexuelle die Homophobie im Land gemindert oder gar verschlimmert?"


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