Die Werbe-Topverdiener der Nationalmannschaft

  15 Juni 2016    Gelesen: 413
Die Werbe-Topverdiener der Nationalmannschaft
Die Nationalspieler sind Marken geworden. Wer sind die Topverdiener? Wessen Vermarktungspotenzial ist wie gut? Und warum hinkt Toni Kroos so hinterher? Der Schlüssel liegt besonders in einem Medium.
Das Mädchen wackelt strahlend auf Papa zu und entscheidet damit über ein Vermögen. Stephen Curry vom NBA-Klub Golden State Warriors ist mit der beste Basketballspieler der Welt. Die größten Firmen wollen mit ihm werben, und der Superstar kann sich nicht entscheiden. Also stellt er seiner einjährigen Tochter Riley Schuhe von Adidas, Nike und Under Armour hin.

Riley nimmt den Nike-Schuh und wirft ihn über die Schulter. Dasselbe passiert mit dem Modell von Adidas. Den Schuh von Under Armour bringt die Kleine ihrem Vater. Entscheidung getroffen. Curry unterschreibt bei dem Ausrüster bis 2024, erhält viele Millionen pro Jahr plus Anteile an der Firma.

Zahlreiche deutsche Fußball-Nationalspieler sind Curry-Fans, Mats Hummels verfolgt die NBA besonders intensiv. Während der Vorbereitung auf die EM-Gruppenspiele in ihrem Quartier in Evian informieren sich die Kicker via Apps über die Neuigkeiten aus Amerikas Basketballliga. Ihrem Nachwuchs bürden die Kicker allerdings nicht so viel Verantwortung wie Curry auf. Sie entscheiden mit ihren Beratern über Ausrüster und Sponsoren. Und fahren in Sachen Werbung und Vermarktung ganz unterschiedliche Strategien.

Müller ist überall, Kroos kaum zu sehen

Während der Europameisterschaft in Frankreich sind einige als Markenbotschafter im deutschen Fernsehen und auf Plakaten in den Innenstädten omnipräsent, zum Beispiel Thomas Müller. Toni Kroos hingegen taucht quasi gar nicht in Spots oder auf Plakaten von eigenen Sponsoren auf, nur für die Firmen, die mit der gesamten Mannschaft beziehungsweise dem DFB werben. Obwohl Kroos mit Real Madrid gerade zum zweiten Mal die Champions League gewonnen hat und wie Müller in der Nationalelf zu den Leistungsträgern zählt. Lukas Podolski hat weiterhin viele Sponsoren, wenngleich er in der deutschen Auswahl längst keine so wichtige Rolle spielt wie Kroos.

Wie ist das zu erklären?

Die auf den Sportmarkt spezialisierte Strategieberatung Repucom hat das Vermarktungspotenzial der deutschen EM-Spieler bewertet. Sie benutzt dafür einen Index, der sich unter anderem aus den Faktoren Identifikation, Werbewirkung, Sympathie, Einfluss und Vertrauen zusammensetzt und die Meinung von 1,6 Milliarden Menschen repräsentiert.

Kapitän Bastian Schweinsteiger führt die Rangliste an (85,25), gefolgt von Müller (84,88) und Lukas Podolski (84,82). Obwohl Kroos sportlich so erfolgreich ist, schafft der Madrid-Star es hier mit einem Wert von 72,50 nicht einmal in die Top Ten.

Auch bei den Werbeeinnahmen liegt Schweinsteiger weit vor ihm: Repucom schätzt diese auf rund drei Millionen Euro, Thomas Müller kommt inzwischen sogar auf rund vier Millionen Euro. Der Publikumsliebling hat Schweinsteiger mit der Unterzeichnung neuer Verträge in den jüngeren Vergangenheit überholt, beim Training in Évian jubeln Müller auch die Franzosen zu. Kroos kommt in Sachen Werbeeinnahmen lediglich auf gut eine Million Euro.

Lars Stegelmann ist Vermarktungsexperte bei Repucom und erklärt: "Aus dem jungen wilden `Schweini` bei der Heim-WM 2006 ist ein gereifter Spieler geworden, der seine Teams zu Titeln führen kann." Dieses Image würden sich Schweinsteigers Werbepartner zunutze machen.

Nike setzt darauf, kommende Stars früh zu verpflichten

Die EM ist insbesondere für die Ausrüster eines der wichtigste Ereignisse des Geschäftsjahres. 2014 setzte Adidas vor allem aufgrund der WM zwei Milliarden Euro um – allein mit Fußballprodukten. Und will hier weiter wachsen. Sogar im Medien-Center in Évian wirbt die Firma mit großen Pappaufstellern und ausgestellten Schuhen.

Stärkster Konkurrent ist Nike. Die US-Firma setzt darauf, früh kommende Stars unter Vertrag zu nehmen. Zuletzt unterschrieben in Schalkes Leroy Sane und Bayerns Joshua Kimmich gleich zwei junge EM-Teilnehmer Einzelausrüsterverträge bei dem Konzern. Davon abgesehen, haben die Neulinge in der Nationalelf (noch) keine großen Werbepartner.

Sane hat laut der Studie von Repucom besonders viele weibliche Fans, und auch Kimmich wird nach der EM wohl öfter in Kampagnen zu sehen sein. Stegelmann: "Um sich von anderen Spielern abzugrenzen und für Werbepartner interessant zu sein, müssen noch unverwechselbare Charakterzüge dazukommen. Ein Thomas Müller beispielsweise ist durch sein bodenständiges Auftreten ein Testimonial, das sich von anderen Spielern abhebt."

Soziale Medien sind der Multiplikator

Vor allem Julian Draxler traut Repucom durch die EM einen großen Sprung zu. Der Schalker, der auf der linken Seite den verletzten Marco Reus vertreten könnte, hat in Sachen Kaufentscheidungen laut Studie Einfluss auf 71 Prozent der 16 bis 24-Jährigen. Bislang habe Draxler ausschließlich Ausrüster Adidas als Sponsor.

Stegelmann: "Sollte er im Turnier sportlich herausstechen, wird er weitere Sponsorenverträge abschließen können." Draxler hat rund 1,8 Millionen Follower bei Facebook und Instagram. Ein entscheidender Faktor.

Die sozialen Medien sind der größte Multiplikator für die Werbekampagnen mit Spielern. Eine Studie von Twitter widmet sich der Frage, wem die Menschen mehr vertrauen: ihren Freunden oder Influencern bei Twitter, Youtube und Co., also zum Beispiel Fußballstars? Ergebnis: 56 Prozent vertrauen den Freunden, aber die Influencer erreichen beinahe 50 Prozent.

An die unglaublichen Zahlen ihrer europäischen Konkurrenz kommen die deutschen Nationalspieler zwar (noch) nicht heran. Ein Tweet des portugiesischen Superstars Cristiano Ronaldo ist laut einer Studie rund 250.000 Euro wert.

Gerade Weltmeister haben globales Potenzial

Doch Mesut Özil kommt laut einer Studie immerhin auf 45.000 Euro. Schweinsteiger postete pünktlich zum Start der EM ein Adidas-Video, in dem Fallschirmspringer ihm, Özil, Müller, Neuer und Mats Hummels neue Fußballschuhe bringen. Das Austesten von Selbstdarstellung gehört im Milliardengeschäft Fußball längst dazu. Gerade die Weltmeister haben globales Potenzial – und versuchen, es auszuschöpfen.

Jonas Hector hat keinen Social-Media-Auftritt – als einziger Nationalspieler. Sich selbst darzustellen, das passe nicht zu ihm, sagt der Außenverteidiger vom 1. FC Köln.

Sein Kollege Kroos ist nur in Sachen Werbung kaum aktiv. Experte Stegelmann erklärt: "Manche Sportler wären für gewisse Produkte nicht glaubwürdig und authentisch genug. Es gibt allerdings auch Fußballspieler, die sich noch nicht mit ihrer Vermarktung beschäftigt haben oder diese gar nicht anstreben."

Kroos nimmt sich hier offensichtlich bewusst zurück. Obwohl er sich von Volker Struth beraten lässt, der bis vor Kurzem auch Mario Götze vertrat. Götze hat zahlreiche Sponsoren. Ihm wurden seine vielen Kampagnen zuletzt oft negativ ausgelegt, ebenso sein umgestaltetes Logo.

Das Hamburger Marktforschungsinstitut Dr. Grieger & Cie. wollte wissen: Welcher der Nationalspieler hat noch am meisten Werbepotenzial? Ergebnis: Kroos. Mit 10,3 Millionen Fans bei Facebook, sieben Millionen bei Instagram und 3,8 bei Twitter sei er ein "Outperformer", habe sich also überdurchschnittlich gut entwickelt. Für Kroos könnte eine internationale Kampagne den nächsten Schritt bedeuten.

Spieler sollten sich für Werbung nicht verbiegen

Weltmeister Thomas Müller gilt bei Branchenkennern als Vorbild in Sachen Werbung. Er habe Sponsoren gewählt, die zu ihm passen, sagt Stegelmann. "Die Identifikation mit Thomas Müller ist für die Fans hoch. Entscheidend ist, dass er konstant auf hohem Niveau spielt. Er tritt sehr bodenständig und glaubwürdig auf, dazu kommt seine sympathische und humorvolle Art. Er könnte der sympathische Nachbar von nebenan sein."

Nicht zu Müller würde die luxuriöse Glamourwelt passen, also Produkte wie teure Uhren oder Oberklasseautos. Ein Spieler sollte sich für eine Werbebotschaft nicht verbiegen lassen, so Stegelmann. Firmen raten Werbeexperten, auch die Familie, Freunde, die Partnerin und den Berater des Spielers zu analysieren, um zu sehen, ob er perfekt zum Unternehmen passt.

Riley Curry und ihr Papa haben seit Kurzem übrigens sogar eigene Emojis. Auch bei den bereits extrem vermarkteten EM-Fußballspielern gibt es also noch viel Steigerungspotenzial.

Quelle : welt.de

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