Armut rund ums Camp: Idomeni wünscht sich die Flüchtlinge zurück

  01 Juli 2016    Gelesen: 645
Armut rund ums Camp: Idomeni wünscht sich die Flüchtlinge zurück
Volle Hotelbetten, leergekaufte Läden: Rund um das Flüchtlingscamp Idomeni gab es eine florierende Infrastruktur für die Helfer. Nun ist das Lager weg, die Armut zurück - und die Wut der Bürger groß.
Der letzte Winter war eine Katastrophe für Konstantinos Karakasidis. Sein kleines Park Hotel in Polykastro, ein Familienbetrieb, war verschuldet bis unters Dach. Schulden, die er niemals würde zurückzahlen können. Das dachte er damals. Die zwölf Zimmer blieben fast immer leer, Karakasidis` Kasse auch.

Touristen kommen ohnehin nur selten in diese Ecke Griechenlands, die Grenze zu Mazedonien liegt nur 15 Kilometer entfernt. Polykastro hat rund 7000 Einwohner, aber kaum Sehenswürdigkeiten. Die paar Gäste, die sich doch einmal ins Park Hotel verirrten, murrten über die kalten Zimmer. "Ich konnte mir kein Heizöl leisten", sagt Karakasidis.

Dann kam die Rettung - gerade als er dachte, es geht nicht mehr. Im März machte Mazedonien seine Grenze für Flüchtlinge dicht und kappte damit die sogenannte Balkanroute. Tausende Menschen, die es aus der Türkei über die Ägäis nach Griechenland geschafft hatten, saßen nun fest. Die meisten von ihnen schlugen ihr Lager in Idomeni auf, das Elendscamp lag nur 15 Autominuten von Polykastro entfernt. Etwas Besseres hätte Hotelier Karakasidis und vielen anderen in der Stadt kaum passieren können.

Denn das ständig wachsende Lager zog in den folgenden Monaten Tausende Helfer an. Flüchtlingsunterstützer, Regierungsvertreter, Freiwillige: Alle kamen und alle mussten irgendwo wohnen. Die günstige Lage und die ebenso günstigen Zimmerpreise machten das Park Hotel schnell zum Hauptquartier von Dutzenden Hilfsorganisationen - und es war ausgebucht. Sogar den Acker hinter dem Haus vermietete Karakasidis als Zeltplatz.

Mit den plötzlichen Einnahmen konnte er seine Schulden begleichen, Reparaturen bezahlen und Heizöl kaufen.

Doch nicht nur die Helfer brachten Geld in die Stadt. Griechenlands Behörden schickten zeitgleich rund 100 Polizisten nach Idomeni. Die Grenzschutzagentur Frontex übernahm die Extrakosten für die Beamten und legte nach inoffiziellen Angaben rund 1000 Euro pro Gehaltsscheck drauf. Die meisten Polizisten wohnten in Polykastro und gaben dort ihr Geld aus.

Egal ob Hotels, Supermärkte, Bäckereien oder Cafés - überall klingelte plötzlich die Kasse. "Meine Einnahmen sind um 40 Prozent gestiegen", sagt Obsthändler Panagiotis Triantafyllidis. Genaue Zahlen gibt es nicht, aber geschätzt haben mehr als tausend Menschen durch das Flüchtlingsdrama kurzfristig Arbeit gefunden. Ein Segen für die Stadt, die sonst mit rund 40 Prozent Arbeitslosenquote weit vorn in den landesweiten Statistiken liegt.

Doch die goldene Ära endete abrupt.

Am 24. Mai räumte die Polizei in einer Großaktion das Lager in Idomeni. Bis zum 12. Juni waren auch die verbliebenen wilden Camps in der Umgebung aufgespürt - und damit waren die Migranten alle weg. Zwar unterhält die Regierung in der Gegend noch das Lager in Paionia mit rund 4000 Menschen. Dort jedoch hat die griechische Armee das Sagen, Hilfsorganisationen bekommen kaum Zugang.

"90 Prozent der Ausländer sind abgereist", sagt Karakasidis, während er mit einer jungen Helferin aus Deutschland über ihren Check-out-Termin verhandelt. Auch die Zuschüsse für die Polizisten sollen zum Ende des Monats auslaufen.

Bürgermeister versteht die Kritik nicht

Nun ist der Ärger unter den örtlichen Unternehmern groß. Viele geben dem Bürgermeister die Schuld. Schließlich habe dieser über Monate bei der Regierung in Athen für die Räumung von Idomeni geworben. "Die Leute wollten, dass die Flüchtlinge bleiben. Er wollte sie weg haben. Jetzt sind alle sauer", sagt Straßenhändler Triantafyllidis.

Das sieht Bürgermeister naturgemäß ganz anders. Christos Gkoutenoudis sitzt in seinem runtergekühlten Büro und schildert seine Sicht der vergangenen Monate: "Die Räumung war eine positive Entwicklung." Schließlich sei das Lager eine hygienische und sicherheitstechnische Zeitbombe gewesen.

Die positiven Effekte auf die lokale Wirtschaft will er gar nicht leugnen. Aber sein Hauptanliegen als Stadtoberhaupt sei nun einmal die Schaffung von langfristigen Arbeitsplätzen - und nicht, die Menschen von Jobs "mit kurzer Halbwertzeit" abhängig zu machen. Die vielen Beschwerden tut er ab: "Die Leute sind eh nie zufrieden. Diejenigen, die sich jetzt wegen der Jobs beschweren, hätten am lautesten geklagt, wenn plötzlich Flüchtlingskinder auf die örtliche Schule gehen würden."

Das wiederum hält Hotelchef Karakasidis für Unsinn. Anders als viele andere Griechen würde er die Flüchtlinge sofort wieder zurückholen. Wenn auch nur aus Eigennutz. "Als sie noch hier waren, war Geld im Umlauf. Die Menschen wissen nicht, was für ein Segen die Flüchtlinge sein können."

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