In der Flüchtlingskrise ist Europa bisher noch zerstrittener als während des Griechenland-Dramas. Besonders deutlich wird das nicht nur beim Umgang mit den Flüchtlingen an den Grenzen, sondern auch bei einem besonders sensiblen Thema: den finanziellen Leistungen für die Asylbewerber. Denn mit der Aufnahme in Notunterkünften und der Verteilung von Nahrungsmitteln allein ist es nicht getan. Stattdessen haben die Flüchtlinge in den meisten europäischen Ländern Anspruch auf eine Art Taschengeld, über das sie mal mehr, mal weniger frei verfügen können.
Entsprechend müssen sich auch jetzt die Länder, die am großzügigsten sind, auf einen besonders starken Flüchtlingszustrom einstellen. Damit das nicht die geplante EU-weite Quotenregelung zur Verteilung der Notleidenden von vornherein torpediert, hat EU-Kommissar Günther Oettinger eine EU-weite Angleichung der Leistungen für Asylbewerber gefordert. Nur so könnten falsche Anreize vermieden werden.
Tatsächlich sind die Unterschiede bei den finanziellen Leistungen für Asylbewerber gravierend. Sie reichen von null bis 800 Euro im Monat. Eine einheitliche Übersicht gibt es im sonst so statistikwütigen Europa allerdings nicht, weshalb ein trennscharfer Vergleich kaum möglich ist. Das Thema ist ein Politikum, die Daten sind in vielen Ländern offensichtlich Verschlusssache.
Die Geheimniskrämerei scheint nicht unbegründet. Mehrfach wurden bereits Menschenhändler aufgegriffen, die zuvor offenbar mit einer handlichen Tabelle hausieren gegangen waren, auf der die vermeintlich großzügigsten Aufnahmeländer Europas fein säuberlich aufgelistet waren. Neben Deutschland und den Niederlanden fanden sich darauf die skandinavischen Nationen Dänemark, Schweden und Norwegen. Die Liste sorgte insbesondere im Königreich Dänemark für Aufruhr, nachdem die Integrationsministerin das Papier ins Internet gestellt hatte.
Das wohlhabendste Land ist besonders knauserig
Brisant war nicht nur der Inhalt, sondern auch die Herkunft der Leistungsübersicht. Diese war ursprünglich von der Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, kurz Frontex, erstellt worden. Das als vertraulich eingestufte Papier sollte originär dazu dienen, die Risikoanalyse der Frontex in Bezug auf die Flüchtlingsströme zu erleichtern.
Auch die "Welt"-Tabelle greift darauf zurück sowie auf eine Umfrage des Europäischen Integrationsnetzwerks, das im Auftrag der britischen Regierung bereits 2013 das Leistungsgefüge innerhalb Europas erheben wollte, um herauszufinden, wo Großbritannien dabei steht. Damals war die heutige Flüchtlingskrise noch überhaupt nicht absehbar, doch schon zu diesem Zeitpunkt gaben sich mehrere Länder zugeknöpft oder wollten wie Österreich ihre Antworten nicht publiziert wissen.
Tatsächlich zeigt der Europa-Vergleich gewaltige Unterschiede. In Griechenland können Flüchtlinge auf keine finanzielle Unterstützung hoffen. Das Land leistet sich noch nicht einmal Sozialhilfe für seine ärmsten Bürger. Auch die osteuropäischen Länder wie die Slowakei, Slowenien, Polen oder Bulgarien bieten über die reine Notversorgung hinaus relativ wenig zusätzliche Finanzhilfen für die Asylsuchenden. Diese liegt zwischen zwölf und 33 Euro im Monat.
Dänemark am großzügigsten
Unter den westlichen Staaten ist ausgerechnet das wohlhabendste Land der Euro-Zone, Luxemburg, besonders knauserig. Dort gibt es den Daten zufolge gerade einmal 25 Euro Taschengeld im Monat bei voller Unterbringung und Verpflegung. Unbetreut kann der Betrag auf 225 Euro steigen.
Deutlich besser sieht es in Deutschland und Frankreich aus, wo es mit 352 beziehungsweise 330 Euro Sätze knapp unter dem jeweiligen Existenzminimum gibt. Das reine Taschengeld beträgt in Deutschland 140 Euro im Monat, diese Barleistungen können aber je nach Unterkunft und Verpflegung auch höher ausfallen.
Am großzügigsten ist den Daten von Frontex zufolge Dänemark. Hier gab es, als die Liste erstellt wurde, rund 1400 Euro pro Flüchtling, die allerdings noch versteuert werden mussten. Seit dem 1. September hat das Land die Summe allerdings drastisch reduziert. Nun gibt es noch 800 Euro, die aber ebenfalls versteuert werden müssen.
Zudem werden von diesem Betrag die Kosten für die Unterbringung noch abgezogen. Genau solche Einschränkungen und Sonderregelungen machen es auch schwer, einen einheitlichen Überblick zu schaffen. So wird häufig auch unterschieden, ob die Flüchtlinge in einem Wohnheim oder privat untergebracht sind, ob sie mehrfach am Tag verpflegt werden oder sich selbst versorgen müssen, ob sie schulpflichtige Kinder haben oder allein reisen.
Deutlich macht das unter anderem das Beispiel Belgien, wo es im Falle einer Unterbringung und Versorgung in einem Flüchtlingsheim ein Taschengeld von 29 Euro gibt, bei einer anderweitigen Unterbringung und Selbstversorgung hingegen etwa 280 Euro.
Auch in Zypern liegt die Spanne zwischen 80 bis 450 Euro. Um die Unterschiede möglichst gering zu halten, konzentriert sich die "Welt"-Übersicht auf einen alleinstehenden Erwachsenen von über 25 Jahren.
Doch auch wenn die Daten nicht einheitlich sind, lässt sich die Bewegung der Flüchtlingsströme damit recht erklären. So nutzen die Flüchtlinge Griechenland und Osteuropa lediglich als Transitländer, um sich möglichst erst in Ländern wie Deutschland, Schweden oder Großbritannien anzumelden, die großzügigere Leistungen bieten. Insofern scheint Oettinger recht zu haben, wenn er eine Angleichung der Leistungen fordert, um eine europaweite Quotenregelung auf den Weg zu bringen und Europa einheitlicher zu gestalten.
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