Boris Johnson zeigt sich handzahm

  19 Juli 2016    Gelesen: 845
Boris Johnson zeigt sich handzahm
Brexit-Wortführer Johnson hat sich im Laufe seiner Karriere mit ziemlich vielen Leuten angelegt. Mit Spannung wird daher in Brüssel sein erster großer Auftritt als Außenminister auf EU-Ebene erwartet. Den "bösen Buben" gibt er nicht.
Ihn nehmen die Politiker beim EU-Außenministertreffen besonders kritisch unter die Lupe: den neuen britischen Außenminister Boris Johnson. Der Konservative ist für derbe Sprüche, ungehobeltes Verhalten und wenig diplomatisches Auftreten bekannt. Doch in Brüssel zeigt er sich handzahm: Zum Auftakt des Treffens verlor Johnson kein schlechtes Wort über die Europäische Union. Hatte er die Politik der EU im Brexit-Wahlkampf noch mit Adolf Hitler verglichen, betonte Johnson nun den Willen Londons zur weiteren Zusammenarbeit mit der EU. Er sicherte zu, dass Großbritannien auch nach einem EU-Austritt mit den EU-Staaten kooperieren werde, und zwar in "führender Rolle". Man werde die EU verlassen, aber nicht Europa, sagte der frühere Londoner Bürgermeister.

Mit Blick auf den Putschversuch in der Türkei rief Großbritanniens neuer Außenminister zur Zurückhaltung auf: "Ich denke, es ist sehr wichtig, dass wir Zurückhaltung und Mäßigung auf allen Seiten sehen", sagte Johnson. Ob er damit auch die EU meinte, sagte er in seiner kurzen Erklärung allerdings nicht.

Flugzeug musste notlanden

Johnson war bereits am Sonntagabend in Brüssel eingetroffen und hatte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini getroffen. Die beiden hatten ursprünglich gemeinsam essen wollen, doch daraus wurde nichts: Johnsons Flugzeug musste auf dem Weg nach Brüssel notlanden. Die Maschine hatte ein Problem mit der Hydraulik. Bei der Notlandung auf dem Londoner Flughafen Luton sei die Feuerwehr vorgefahren, berichtet die Zeitung "The Guardian". Johnson setzte seine Reise mit einem anderen Flugzeug fort.

Für ein Essen mit Mogherini kam er damit zu spät in der belgischen Hauptstadt an. Doch Johnson sprach von einer "sehr guten Unterhaltung" mit der EU-Außenbeauftragten. Sie stimme mit ihm überein, dass Großbritannien und Europa weiter zusammenarbeiten müssten, sagte er. Mogherini selbst bewertete das Treffen als "guten Austausch" über die wichtigsten Themen des Außenministertreffens.

Ungarns Regierung freut sich

Die Ernennung Johnsons zum Außenminister war in einigen europäischen Hauptstädten scharf kritisiert worden. Viele sehen in ihm einen unverschämten Wortakrobaten und halten ihn auf dem politischen Parkett für ungeeignet. Das Aussehen von Hillary Clinton etwa, der möglichen neuen US-Präsidentin, verglich Johnson in einem Interview von 2007 mit einer Krankenschwester in einer Heilanstalt. Den türkischen Präsidenten nannte er in einem Spontangedicht "Wichser". Kritiker spotteten im Netz, Johnson brauche wohl bis Weihnachten, um sich bei allen ausländischen Politikern zu entschuldigen, die er schon in seiner Karriere beleidigt hat.

Ungarn allerdings freut sich über Boris Johnson in seinem neuen Amt. Er stehe in der Kritik, weil er "nicht die üblichen diplomatischen Instrumente gebraucht", sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto. "Dass aber eine wirkliche Persönlichkeit, ein Mensch mit echten Gedanken mit diesem Amt betraut wurde, ist sogar ein ausgesprochener Vorteil", fügte er hinzu. Die Regierung des rechtskonservativen ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban steht auf der europäischen Bühne häufig selbst in der Kritik.

Großbritannien hat seinen Austritt aus der Europäischen Union bisher noch nicht offiziell erklärt. Erst dann beginnt eine zweijährige Frist, in der über die Entflechtung der Beziehungen verhandelt wird. Laut dem für Handelsverträge zuständigen Minister Liam Fox bereitet sich London auf einen Austritt zum 1. Januar 2019 vor. Wie es Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn ausdrückt, ist letztlich allen klar, dass "Boris Johnson kommt, um zu gehen".

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