Für mich ist das eine Lebenseinstellung. Natürlich ist der Samurai ein Kämpfer, diesen Geist trägt er in sich, aber die japanische Kultur steht für viel mehr. Es geht um gute Werte, Werte wie Vertrauen und Respekt, die Familie hat einen hohen Stellenwert, auch Disziplin ist wichtig. Das sind Werte, die heutzutage immer mehr verlorengehen, die keine Rolle mehr spielen. An all das soll mich der Samurai erinnern, und diese Sicht auf das Leben würde ich gern mit anderen teilen.
Wir kennen Sie als Siegfahrer, als einen, der um Weltmeisterschaften kämpft. Nun leisten Sie Aufbauarbeit bei McLaren-Honda. Wie groß ist diese Herausforderung - auch an diesen Wochenende beim Rennen in Ungarn?
Sie ist enorm, aber ich habe mich vor zwei Jahren ganz bewusst dafür entschieden. Ich brauchte diese Herausforderung, nachdem ich bei Ferrari mehrmals um die WM gefahren bin, nachdem ich oft ganz nah dran war - und den Titel trotzdem nie gewonnen habe. Ich wusste, dass es unheimlich hart sein würde, noch einmal von null an zu beginnen. Und natürlich war der Start in der vergangenen Saison mit all den Problemen auf der Strecke, mit all den Ausfällen schmerzhaft. Trotzdem bereue ich nichts. In der Formel 1 gibt es keinen magischen Knopf, der dich von heute auf morgen an die Spitze katapultiert. Wir müssen Geduld haben und härter arbeiten als andere. Aber in diesem Jahr sehen wir schon, dass das Team einen guten Job macht.
Wie ist es dort im Mittelfeld? Sie kämpfen auf einmal gegen Fahrer, die sonst nur in Ihrem Rückspiegel aufgetaucht sind.
Im Fahrerlager gibt es weniger Kameras, die auf mich gerichtet sind, der Stress ist nicht so groß. Das macht das Leben ein bisschen einfacher. Die Rennen sind unglaublich intensiv, schwierig. Die Zweikämpfe werden mit großer Härte geführt, das war ich so bisher nicht gewohnt. Vor allen die Anfangsphase ist sehr fordernd. Beim Start und in der ersten Runde kannst du die meisten Positionen gewinnen - und genau das versucht jeder. Für mich ist das eine neue Erfahrung, aber ich lerne dazu.
Fällt es Ihnen schwer, die Motivation hochzuhalten?
Natürlich frustriert es einen, wenn du nicht um die Spitze kämpfst. Aber wenn du deine Ziele anpasst, wenn du im Rennen unter die ersten zehn kommen willst, dann kämpft du genauso hart dafür und bist glücklich, wenn es dir gelungen ist. So ein achter Platz kann sich anfühlen wie ein Sieg. Das ist unsere Gegenwart. Aber an jedem Wochenende arbeiten wir vor allem für unsere Siege in der Zukunft.
Sie haben früh mit Renault zwei Titel gewonnen, sind danach zu McLaren gewechselt, gingen zurück zu Renault, weiter zu Ferrari und stehen jetzt bei McLaren-Honda unter Vertrag. Haben Sie Fehler gemacht in Ihrer Karriere?
Natürlich, mehrere. Jeder macht diese Fehler. Aber ich würde trotzdem jede Entscheidung wieder genauso treffen. Denn als ich diese Entscheidungen getroffen habe, entsprach das meinem Gefühl, ich bin nur meinem Instinkt gefolgt und stand voll dahinter. Diese Entscheidungen haben mich zu dem gemacht, der ich heute bin - und ich bin glücklich. Natürlich hätte ich vielleicht mehr Titel gewinnen können, aber dann wäre ich ein anderer Mensch. Zu Hause würden ein paar mehr Trophäen stehen, mein Ego wäre größer, aber als Person wäre ich vermutlich nicht so gewachsen.
Was fehlt Ihnen bei McLaren noch, um mal wieder auf das Podium zu fahren?/b>
Ich brauche einen besseren Motor, das ist wahrscheinlich genug. Um ein Rennen zu gewinnen, brauche ich jedoch von allem etwas Besseres, denn wir sind noch immer etwa sechs bis acht Monate hinter unserem Zeitplan. Mercedes fährt uns allen davon. Das Auto hat das beste Chassis, es geht so schonend mit den Reifen um wie kein anderer Wagen, die Aerodynamik ist herausragend und der Motor sowieso. Das, was wir bei McLaren jetzt auf die Strecke bringen, hätten wir schon in der vergangenen Saison zeigen sollen. Die ersten Rennen kamen zu schnell für uns. Aber Honda hat sehr schnell gelernt, und ich glaube nicht, dass der Motor von Mercedes, Ferrari oder Renault nach achtzehn Monaten so stark war, wie es unserer ist.
McLaren hat Jost Capito verpflichtet, der zuletzt als Motorsport-Direktor bei Volkswagen tätig war und nach der Sommerpause zum Team stoßen soll. Was erhoffen Sie sich dadurch?
Nun, wir bei McLaren-Honda sind erst im zweiten Jahr, wir sind ein junges Projekt, deshalb machen wir Fehler - kleinere und größere. Wir müssen uns um Details kümmern, dazulernen, und ich bin mir sicher, dass Jost ein wichtiger Baustein sein kann. Als Organisation - ganz unabhängig vom Motor und dem Chassis - müssen wir so stark wie nur möglich werden. Sonst haben wir keine Chance. Wir wollen nichts kopieren, aber wir wollen von der Erfahrung, die Jost im Motorsport gesammelt hat, profitieren. Er kann uns dabei helfen, schneller zu wachsen
Max Verstappen hat in Barcelona als 18-Jähriger gewonnen, seitdem fährt er im Red Bull regelmäßig in der Spitze. Ist die Formel 1 zu einem Kinderspiel geworden?
Der Sport hat sich verändert, ganz klar, er ist nicht mehr so fordernd. Vor einigen Jahren waren wir in den Kurven noch so schnell, dass man es sich kaum vorstellen konnte. Da brauchtest du Vertrauen in dich und das Auto. Und wenn du diese Kräfte nicht gewohnt warst, dann sehntest du dich danach nach zwei Tagen Pause und jeder Menge Massagen. Inzwischen ist alles langsamer geworden, das macht es leichter für den Fahrer.
Wie sehen Sie die Entwicklung der Formel 1?
Nun, die Formel 1 ist noch immer die beste Kategorie im Motorsport. Trotzdem bin ich nicht zufrieden mit dem, was wir hier machen. Mit den derzeitigen Regeln ist es nicht möglich, diese Autos am Limit zu bewegen, aber genau darum sollte es gehen. Wenn du zu aggressiv bist, machst du die Reifen kaputt und verlierst Zeit. Oder du verbrauchst zu viel Benzin und musst dich ein wenig zurücknehmen. Das widerspricht dem Instinkt eines jeden Rennfahrers. Das macht nicht so viel Spaß wie in den vergangenen Jahren. Vielleicht bringen die Regeländerungen zur neuen Saison diesen Spaß zurück. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass sich die Formel 1 nicht in die richtige Richtung bewegt, mache ich nochmal etwas anderes.
Woran denken Sie?
Wenn du aus der Formel 1 kommst, dann gibt es nur zwei Rennen, die ein vergleichbares Prestige haben. Das eine sind die 24 Stunden von Le Mans, das andere sind die 500 Meilen von Indianapolis. Kein anderes Rennen in der Welt wird jemals auch nur im Ansatz mit der Formel 1 zu vergleichen sein.
Sie hatten zu Beginn der Saison einen heftigen Unfall in Melbourne. Wie haben Sie diese Überschläge überstanden?
Im ersten Moment habe ich mich körperlich noch okay gefühlt, aber zwei, drei Tage später ging es mir wirklich schlecht. Die Schmerzen kamen mit einer Urgewalt, eine Woche konnte ich kaum schlafen. Das war nicht einfach.
Ist es sinnvoll, die offenen Cockpits abzuschaffen?
Ja, das müssen wir machen. Meine größte Sorge in Australien war, dass ich irgendwo mit meinem Kopf aufschlage. Das wäre das Ende gewesen. Mit einem geschlossenen Cockpit ist das kein Thema, selbst bei so einem heftigen Einschlag nicht. Ich glaube allerdings nicht, dass die Idee von Ferrari, das sogenannte Halo-System, die besten Lösung ist. Damit werden wir im nächsten Jahr fahren, aber in der Zukunft werden wir viel bessere Systeme sehen.
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