Brauchen wir Bundeswehr-Einsätze im Inland?

  24 Juli 2016    Gelesen: 476
Brauchen wir Bundeswehr-Einsätze im Inland?
In der Schreckensnacht kommt aus der CSU der Ruf nach Unterstützung der Polizei durch die Bundeswehr. CDU-Innenexperte Bosbach sieht in München keinen Bedarf. Anders ist das bei Attacken aus der Luft.

Nach dem Amoklauf von München ist in der schwarz-roten Koalition eine Auseinandersetzung über einen Einsatz der Bundeswehr im Inland mit neuer Wucht entbrannt.

Noch in der Nacht, als über das Ausmaß der Attacke und über den mutmaßlichen Täter deutsch-iranischer Herkunft noch keine Erkenntnisse bekannt waren, wurde in der CSU die Forderung nach Unterstützung der Polizei durch die Bundeswehr laut.

Der CSU-Außenexperte Florian Hahn etwa verlangte via Twitter: "Zur Herstellung der Sicherheit im öffentlichen Raum brauchen wir für nächsten Tage #Bundeswehr #Muenchen".

Der CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach dagegen wiegelte ab: "Die Abwehr terroristischer Gefahren im Inland ist eine klassische Aufgabe der Polizeien des Bundes und der Länder, insbesondere der Anti-Terror-Einheiten", sagte Bosbach der "Welt am Sonntag".

"Anders wäre es bei Gefahrenlagen, in denen die Polizei zwar die rechtlichen Kompetenzen zur Gefahrenabwehr hat, nicht aber die hierfür notwendigen technischen Fähigkeiten", erklärte Bosbach. "Das gilt insbesondere bei Angriffen aus der Luft."

Es könne nicht sein, dass die Polizei in derartigen Fällen zwar rein rechtlich die Befugnisse habe, aber nicht die erforderlichen technischen Möglichkeiten, während es bei der Bundeswehr nach geltender Gesetzeslage genau umgekehrt sei, sagte Bosbach. "Denn ansonsten wäre die Bevölkerung schutzlos."

Braucht es eine Gesetzesänderung?

"Die dramatischen Ereignisse von München würden keinen Einsatz der Bundeswehr im Inland notwendig machen, gerade weil die Polizei und insbesondere die Anti-Terror-Einheiten gestern in beeindruckender Weise rasch und konsequent reagiert haben."

Die Union ringt schon seit Längerem mit dem Koalitionspartner SPD um einen Einsatz der Bundeswehr im Inland, wenn es um Terrorlagen geht. Die SPD lehnt eine Grundgesetzänderung zur Ermöglichung solcher Einsätze ab.

Nach Einschätzung von Verteidigungs- und Innenexperten sind für Anti-Terror-Einsätze der Bundeswehr aber keine Gesetzesänderungen erforderlich. Bundeswehr und Polizei sollen demnächst mit entsprechenden Übungen starten.

Die Grünen kritisierten die Forderungen nach Unterstützung durch die Bundeswehr in der Nacht als voreilig. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck meldete sich über Twitter: "Wie wäre es, wir lassen jetzt die Polizei ihre Arbeit machen, und halten als Politik erst mal die Klappe."

Beck selbst zeigte allerdings keine Zurückhaltung und reagierte wie viele andere Politiker entsetzt auf eine Nachricht aus den Reihen der rechtspopulistischen AfD. Deren Sprecher Christian Lüth hatte geschrieben: "AfD wählen! Schüsse im Olympia Einkaufszentrum – Polizei spricht von akuter Terrorlage."

Da nützte es dem AfD-Sprecher auch wenig, dass er den Tweet später löschte. Scharfer Protest gegen die deplatzierte Eigenwerbung war ihm gewiss.

Empörung erntete auch der Dresdner CDU-Politiker Maximilian Krah, der die Ereignisse von München für einen Aufruf zur Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik nutzte. "Ich bin in München. Das muss der Wendepunkt sein: Die Willkommenskultur ist tödlich. Es geht um unser Land!"

Entsetzen und Trauer, die Solidarität mit Opfern und Einsatzkräften bestimmten allerdings die meisten Tweets und Facebook-Einträge. "Gedanken sind bei den Opfern. Jetzt keine Spekulationen. @PolizeiMuenchen leistet Großartiges", twitterte zum Beispiel Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel.

Und bei seinem Parteikollegen, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, klang es so: "Bin entsetzt, denke an Menschen in #München. Tut gut zu wissen, dass unsere Freunde in Europa und der Welt hinter uns stehen."

Einer der fleißigsten Twitterer der Bundesregierung, Kanzleramtsminister Peter Altmaier, musste sich gar nicht erst über den Kurzmitteilungsdienst äußern. Er wurde in den ARD-"Tagesthemen" interviewt: "Unsere Gedanken sind bei den Opfern des Anschlags, bei ihren Angehörigen und auch bei den Polizisten, die unsere Freiheit und Sicherheit verteidigen", sagte der CDU-Politiker.

Die Verbreitung dieser Botschaft im Internet übernahm an diesem Abend Regierungssprecher Steffen Seibert.

Mehrere Grünen-Politiker betonten ihre Unterstützung für die Arbeit der Münchner Polizei. So lobte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt: "Danke an @PolizeiMuenchen. Ihr macht einen guten Job. #München"

Die Bemühungen der Grünen um Rückhalt für die Einsatzkräfte dürften auch als Versuch verstanden werden, die Wogen nach der Axt-Attacke von Würzburg zu glätten. Anfang der Woche löste die frühere Fraktionsvorsitzende Renate Künast nämlich einen Proteststurm aus, als sie per Twitter Zweifel am Einsatz der Polizisten äußerte, die den jungen Gewalttäter erschossen hatten.


Quelle: welt.de



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