Und doch zeigen die beiden Innenminister große Unterschiede im Handling der Krise. Herrmann schlüpft konsequent in die Rolle des Polizisten, Mahners und Beschützers. De Maizière gibt sich als Integrationsbeauftragter, Besänftiger und Versöhner. Der Bayer spricht Klartext über die Sicherheitskrise im Land, äußert auch unbequeme Wahrheiten zum Zusammenhang von Flüchtlingszustrom und Terrorismus. Der Berliner mahnt hingegen permanent vor "Generalverdacht" und "voreiligen Schlüssen", der eine fordert "Schutz", der andere "Besonnenheit". Der Bayer will die Grenzen schützen und das Asylregeln verschärfen, der andere appelliert an bessere Integration.
Mit jedem Tag, in dem der eine als "schwarzer Sheriff" auftritt, der andere aber als eher grün-roter Merkelversteher, wird der politische Unterschied schroffer sichtbar. Denn Herrmann sieht in der Offentor-Flüchtlingspolitik von Angela Merkel mit der unkontrollierten Massenzuwanderung von muslimischen Männern ein enormes Sicherheitsrisiko für die Republik. De Maizière wirkt dagegen wie der Merkelverteidigungsminister. Er weiß, dass die Terrorwelle die ohnedies angeschlagene Akzeptanz der Kanzlerin in der Flüchtlingsfrage weiter schwächt - also verteidigt er die Linie der Kanzlerin demonstrativ und redet Gefahren eher klein, wo Herrmann sie frontal adressiert.
Für de Maizière ist die Nibelungentreue zu Angela Merkel schwierig. Er verliert in der Öffentlichkeit an Glaubwürdigkeit, und auch in der eigenen Partei schwindet sein Rückhalt. Denn eigentlich, so heißt es im Führungskreis der CDU, müsste der Innenminister in dieser Lage Kante und Entschiedenheit zeigen, um die liberale Zuwanderungslinie der Kanzlerin besser zu flankieren als sie bloß zu kopieren. Viele in der CDU würden sich - schon weil das Thema wahlentscheidend werden dürfte - auch in Berlin lieber einen schwarzen Sheriff wünschen.
Gefühlter Ministerpräsident
Ganz anders ergeht es Herrmann. Er gewinnt enorm an Popularität - so sehr, dass manche in ihm bereits den "gefühlten Ministerpräsident" sehen. Tatsächlich galt Herrmann bereits früher als denkbarer Kandidat für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten. 2008 zog er seine Kandidatur jedoch zu Gunsten von Horst Seehofer zurück. Heute heißt es mit Blick auf die offene Seehofer-Nachfolge: "Je eher, desto Herrmann". Je früher Seehofer sich zurückziehen werde, desto höher sei die Chance Herrmanns. Laut einer Umfrage wünschten sich bereits im Januar mehr bayerische Wähler einen Ministerpräsidenten Herrmann als einen Regierungschef Markus Söder. Jetzt sind seine Werte noch besser geworden.
Doch vorerst wächst Herrmann zum innenpolitischen Taktgeber der Republik. Im Zuge der Flüchtlingskrise drängte er die Bundesregierung zur Verschärfung des Asylrechts und zur Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten. Dass Deutschland wieder Kontrollen an der Grenze zu Österreich einführte, gilt auch als Herrmanns Verdienst. "Es kann nicht sein, dass wir nicht wissen, wer sich in unserem Land aufhält", so der Innenminister. Außerdem brachte er eine Obergrenze für Flüchtlinge in Höhe von 200.000 Menschen jährlich ins Spiel. Die Ereignisse dieser Tage empfinden viele in der CSU als Bestätigung seiner Politik. Nun fordert er den Einsatz der Bundeswehr zur Terrorbekämpfung sowie eine Verschärfung der Asylregeln für straffällig gewordene Migranten im Asylbewerberverfahren. "Wir müssen auch anderen deutlich machen: Jeder hat die Rechtsordnung dieses Landes zu akzeptieren." Das deutsche Recht stehe über dem Recht des Korans der der Scharia. Wenn das jemand anders sehe und dagegen verstoße, müsse schon auf niedrigerer Schwelle als bisher deutlich werden, dass er das Land wieder zu verlassen habe.
Herrmann klingt damit wie ein Hardliner, doch selbst beim politischen Gegner wird er für solche Töne kaum gescholten. Auch Margarete Bause, Fraktionschefin der Grünen im bayerischen Landtag und wichtigste CSU-Kritikerin in Bayern, hält den Innenminister grundsätzlich "für einen besonnenen Mann". Unter den SPD-Kollegen gilt er als konziliant. "Wir pflegen eine sehr gute und konstruktive Zusammenarbeit", sagt Bremens Innensenator Ulrich Mäurer. Herrmann sei ein "sehr sympathischer Kollege", zu dem er ein "herzliches Verhältnis" habe. Im September feiert Herrmann seinen 60. Geburtstag. Er wird dann seit neun Jahren Innenminister sein und dürfte nicht ruhen, die Fehler der Berliner Migrationspolitik offen zu kritisieren. Zum Leidwesen von Thomas de Maizière.
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