Aus den Zeugenvernehmungen, Spuren und Gutachten ergibt sich dennoch ein ziemlich klares Bild. Demnach lockte Silvio S. den sechsjährigen Elias, der vor dem Wohnhaus seiner Familie spielte, am 8. Juli 2015 in sein Auto. Zunächst war vermutet worden, S. habe Elias noch im Auto stranguliert, weil der Junge weinte und schrie. Doch der Leiter der Rechtsmedizin an der Berliner Charité, Michael Tsokos, kam in seinem Gutachten zu dem Schluss, dass Elias durch "gewaltsames Ersticken" starb. Anders seien die beträchtlichen Blutmengen, die auf einer Decke gefunden und eindeutig Elias zugeordnet wurden, nicht zu erklären.
Tsokos vermutet, dass Elias einen Kunststoffkragen zur Fixierung des Kopfes, eine Gesichtsmaske sowie einen Mundknebel tragen musste und dass der Junge anal missbraucht wurde. Der Gerichtsmediziner geht davon aus, dass der Sechsjährige "mehrere bis viele Stunden nach seiner Verschleppung noch überlebt hat". Wann genau Elias schließlich starb, ließ sich nicht mehr feststellen, seine Leiche wurde erst im Oktober im Schrebergarten von Silvio S. gefunden. In einer Trauerkarte, die S. noch währen der Suche an Elias` Eltern schickte, die aber bei einem Bestattungsinstitut landete, hatte er geschrieben: "In tiefer Trauer um den verstorbenen Elias. Todeszeitraum: In der Nacht vom 11.7. auf den 12.7. zwischen 22 Uhr und 6 Uhr. Todesursache: Ersticken. Sorry." Elias könnte also auch drei Tage in der Gewalt des 33-jährigen gewesen sein.
Wille zur Therapie?
Den vierjährigen Mohamed nahm S. am 1. Oktober vom Gelände des Berliner Landesamts für Gesundheit und Soziales mit. Er fuhr mit dem bosnischen Flüchtlingsjungen zu seiner Wohnung im Obergeschoss seines Elternhauses im brandenburgischen Niedergörsdorf und missbrauchte ihn dort. Den Missbrauch konnten die Ermittler mit einem Handy-Video nachweisen.
Als der Vierjährige quengelte und nach seiner Mama weinte, soll der 33-Jährige den Jungen stranguliert haben. Der Polizei sagte S., er habe Angst gehabt, sein Vater könnte von der Kindesentführung Wind bekommen. Außerdem habe er zu seiner Arbeit fahren müssen und nicht gewusst, wohin mit dem Kind. Mohameds Leiche verbarg S. in einer Wanne voller Katzenstreu, die er bei seiner Festnahme vier Wochen später im Kofferraum seines Dacia hatte.
"Ich werde in Haft alle Behandlungen, die mir angeboten werden, annehmen, dass so etwas keinesfalls noch einmal passieren kann", sagte S. in seiner kurzen Stellungnahme. Welcher Art diese Behandlungen sein könnten, richtet sich auch danach, inwieweit sich S. auf eine Auseinandersetzung mit seinen Taten einlässt. Gegenüber dem forensisch-psychiatrischen Gutachter Matthias Lammel bestritt S. ein sexuelles Interesse an Kindern. Auch Lammel, der immerhin fünf Stunden mit S. sprach, bis der nicht mehr mit ihm reden wollte, sieht es nicht als erwiesen an, dass S. pädophil ist. "Ich bin der Überzeugung, dass Kinder als Opfer ausgewählt wurden, weil sie leichter mitzunehmen und körperlich besser beherrschbar sind", sagt Lammel.
Schwierige Suche nach Strafmaß
Demnach wäre es bei den Taten darum gegangen, zu erzwingen, wozu S. in der Erwachsenenwelt nicht in der Lage war: Beziehungen und Sex. Sein geringes Selbstwertgefühl, die Scheu vor Fremden und seine Konfliktangst sind sicher Ausdruck einer Persönlichkeitsstörung, trotzdem hält ihn Lammel für voll schuldfähig.
Die Staatsanwaltschaft und die Anwälte der Nebenkläger haben die Höchststrafe beantragt: Lebenslange Haft, die Verhängung von Sicherungsverwahrung und die Feststellung von besonderer Schwere der Schuld. Damit hätte Silvio S. es schwer, noch einmal ein Leben in Freiheit zu führen. Sein Verteidiger Matthias Noll hält lebenslange Haft ebenfalls für angemessen, für die Entführung der Kinder und den Verdeckungsmord an Mohamed. Bei Elias sei auch eine Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge oder Totschlags denkbar. Vor allem wehrt sich Noll aber gegen die Strafverschärfungen. Für ihn sei keine besondere Grausamkeit bei der Ausübung der Taten und vor allem kein Hang zu weiteren Taten erkennbar, sagt Noll n-tv.de. Bekäme S. beispielweise 15 Jahre, sei das eine lange Zeit, um an seiner Persönlichkeitsentwicklung zu arbeiten.
Im Prozess hieß es, S. wolle nach seiner Haftentlassung ein lebenswertes Leben mit Geld, einer Frau, einem Haus und einem Auto. Aber wie Silvio S. schon selbst sagte: Die Schuld am Tod von Elias und Mohamed werde für immer bleiben, "genauso wie die Gewissheit, dass ich das nie wieder gutmachen kann."
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