Das nächste Abgas-Desaster: Jetzt sind die Benziner dran

  22 Oktober 2015    Gelesen: 744
Das nächste Abgas-Desaster: Jetzt sind die Benziner dran
Nach dem gewaltigen Diesel-Problem sind jetzt die Benzindirekteinspritzer in den Fokus der Umweltschützer gerückt. Im Realbetrieb sind deren Partikel-Emissionen in bestimmten Situationen viermal so hoch wie erlaubt. Welche Lösungen gibt es?
Wurden noch vor zwei Jahren 84 Millionen PkwGehe zu Amazon für weitere Produkt-Informationen! weltweit produziert, sollen es bereits in fünf Jahren 113 Millionen sein. Aktuell fahren laut Schätzungen von LMC Automotive rund eine Milliarde Autos rund um den Globus. Im Jahr 2018 sollen es 200 Millionen mehr sein.

Dass diese Entwicklung zunehmend negative Auswirkungen auf die Luftqualität in den Metropolen hat, wird immer deutlicher. An der Automobilindustrie selbst geht das natürlich auch nicht spurlos vorüber. Doch die Elektromobilität spielt derzeit - und in vielen Ländern auch mittelfristig - noch keine große Rolle.

Es geht (noch) nicht ohne Benzin

„Der Verbrennungsmotor bleibt auch mittelfristig die dominierende Antriebsform auf den Straßen“, sagt Klaus Harth, verantwortlich für die Forschung an Automobil-Katalysatoren bei der BASF. „Die Schadstoffbelastung bei Verbrennungsmotoren zu reduzieren, bleibt daher weiterhin ein wichtiges globales Thema.“ Die Gründe liegen auf der Hand:

Verbrennungsmotoren produzieren umweltschädliche Abgase, weil das Gemisch aus Kohlenwasserstoffen, sprich der Treibstoff, nur unvollständig verbrennt.
Benzin- und Dieselfahrzeuge sind mit Katalysatoren und teilweise mit Partikelfiltersystemen ausgestatten, um Stickoxide, Kohlenmonoxid, unverbrannte Kohlenwasserstoffe und Rußteilchen noch innerhalb des Abgasstroms herauszufiltern.
Nachdem vor wenigen Wochen der VW-Dieselskandal den Selbstzünder in den Fokus rückte , geht es jetzt den bislang so grün umworbenen Benzindirekteinspritzern an den Kragen. Oder besser gesagt an die Partikel. Denn genau die sind das seit Jahren bekannte, aber noch nicht gelöste Problem bei den im Verbrauch so gut abschneidenden Motoren.

Partikel-Problem bei Direkteinspritzern

Das weiß auch Emmanuel Jean, Emissions-Fachmann bei Faurecia Emissions Control Technologies: „Rußpartikel sind kein spezifisches Dieselproblem. Auch Benziner, darunter besonders die Motoren mit Direkteinspritzung, erzeugen Partikel.“
Der direkt eingespritzte Kraftstoff mischt sich erst im Brennraum mit Luft – und da liegt das Problem. Es kann passieren, dass einzelne Tröpfchen nicht vollständig verdampfen. Das Resultat ist am Auspuff in Form von kleinsten Rußpartikeln zu messen.

Vor allem diese Nanoteilchen gelangen leicht in die Lungen und setzen sich dort fest. Dass die Anzahl der Direkteinspritzer auf dem Markt steigt und sie die Saugrohr-Einspritzung verdängen, ist klar. Denn sie arbeiten effizienter. Zumindest in puncto Spritverbrauch. Rund 15 Prozent weniger Kraftstoff sorgt im Gegenzug für weniger CO2-Emissionen. Und darauf wurde bislang ja besonders Wert gelegt - wegen der ambitionierten CO2-Reduzierungs-Ziele der EU, von denen man sich einen Steuerungseffekt auf das Weltklima erhofft.

Jeder zweite Benziner bald ein Direkteinspritzer

„2016 wird allein in Europa jeder zweite Benzin-Pkw ein Direkteinspritzer sein“, lautet die Prognose von Jean. „Der Trend geht ganz klar zum Downsizing von Motoren, um Sprit zu sparen und Emissionen zu reduzieren.“

Der Unterschied ist schnell erklärt. Im Vergleich zum Drei-Wege-Katalysator entfernt der Vier-Wege-Katalysator nicht nur gasförmige Schadstoffe, sondern zusätzlich auch Feststoffe wie Rußteilchen aus dem Abgasstrom. „Der kompakte Vier-Wege-Katalysator vereint jetzt alle wichtigen Eigenschaften auf einem einzigen Bauteil. Verglichen mit dem Drei-Wege-Katalysator und nachgeschaltetem, unbeschichtetem Partikelfilter benötigt er aber wesentlich weniger Platz“, sagt Harth.

Weniger Abgas ohne Leistungsverlust möglich

Ein weiterer Vorteil: „Wir haben es geschafft, dass er nur einen geringen Gegendruck für das durchströmende Abgas aufbaut“, so der BASF-Experte. Für die Automobilhersteller ist dies ein wichtiger Aspekt. Ein hoher Gegendruck erhöht den Widerstand, den der Abgasstrom bis zum Auspuff überwinden muss. Ist der Gegendruck zu hoch, beeinträchtigt das die Leistungsfähigkeit des Motors und verschlechtert den Kraftstoffverbrauch.

Einen Schritt weiter ist Automobilzulieferer Faurecia. Das Unternehmen startete bereits 2011 mit der Entwicklung und konnte im vergangenen Jahr mit der Serienproduktion des weltweit ersten Benzinpartikelfilters für eine europäische Premiummarke beginnen. Für Fahrzeugkunden besonders erfreulich: „Unsere Innovation ist für die Dauer eines kompletten Fahrzeuglebens ausgelegt. Mit dem in Serie produzierten Benzinpartikelfilter werden bereits heute künftige Abgasnormen erreicht. Die Technologie für Benzinmotoren ist Teil unserer Clean Air-Strategie – insbesondere im Hinblick auf China, wo Benzinmotoren den PKW-Markt dominieren“, heißt es seitens des französischen Automobilzulieferers.

Dass die komplexere Abgasreinigungstechnologie dazu führt, dass zum Beispiel der Vier-Wege-Katalysator mehr kostet als der Drei-Wege-Katalysator, muss allerdings klar sein. Es kursieren derzeit Gerüchte um Aufpreise im Bereich von 40 bis 140 Euro. Unterm Strich dürften die Autohersteller diese Kosten wohl auf den Autofahrer umlegen - in Form höherer Preise.

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