Machen Fette wirklich schlank?

  17 Auqust 2016    Gelesen: 890
Machen Fette wirklich schlank?
Die Low Fat Welle, die sich in den späten neunziger Jahren aus Amerika kommend vor uns aufbaute, ist längst abgesurft. Fettfreie Leberwurst? Das war einmal. Fettfreier Joghurt? Ist aus sämtlichen Supermarkt-Regalen verbannt. Stattdessen greifen wir mit größter Selbstverständlichkeit zum Sahnequark oder essen griechischen Joghurt mit einem soliden Fettanteil von mindestens 10 Prozent.
Für alle die es noch nicht wussten: es gibt eine neue Ernährungsformel und die lautet Fett essen! In dieser Woche erschien im Buchhandel eine Anleitung zum Festessen, pardon, zum Fettessen. Verfasser ist David Ludwig, das Time Magazin bezeichnete ihn einst als „den Krieger gegen das Übergewicht“. Der Titel: „Nimmersatt- warum wir Fett brauchen um schlank zu werden“. Richtig, es heißt um schlank zu werden.

Wie die Formel für einen Menschen mit prall gefüllten Fett-Depots aufgehen soll? Jedenfalls nicht mit dem Löffel im Nutellaglas. Auch nicht mit einer Butter-, Käse-, Wurst-Diät. Denn Fett ist nicht gleich Fett. Es gibt wie überall die guten und die bösen. Und es gibt die richtig fiesen: die Transfette, die entstehen, wenn Pflanzenöle unter hohen Temperaturen gehärtet werden. Transfette haben nur einen einzigen Vorteil: sie sind scheinbar ewig haltbar, leider auch in unserem Körper. Sie lassen sich nicht einfach wegschmelzen, denn sie brauchen 70 Grad Celsius um sich zu verflüssigen. Stattdessen lagern sie sich an unsere Arterien, begünstigen damit Entzündungen und Herzinfarkte. Dummerweise sind Transfette in den meisten industriell verarbeiteten Lebensmitteln aus dem Supermarkt enthalten, in Chips, Tiefkühlpizza, Keksen, Margarine, Blätterteig und Kuchen etwa. Aus gutem Grund schreibt der Gesetzgeber in Dänemark der Industrie einen Maximalwert von 2 Prozent für Transfette vor. Obergrenzen gibt es auch in Norwegen, Island, der Schweiz, Ungarn und Österreich.

Hierzulande gibt es lediglich eine Deklarierungspflicht für Diät-Produkte und Säuglingsnahrung. „Als Verbraucher muss ich darauf achten, ob unter den Inhaltsstoffen „gehärtete“ oder „zum Teil gehärtete Fette“ auftauchen“, empfiehlt Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE).

Fischöl besser als Schweineschmalz

Wer abnehmen möchte, sollte jedoch nicht nur um Transfette einen Bogen machen, sondern auch bei den gesättigten Fetten Vorsicht walten lassen. Eine im Juni veröffentlichte in Italien durchgeführte Studie zeigte, dass gesättigte Fette, wie Schweineschmalz, zu einer schlechteren Gedächtnisleistung führen, wohl weil sie Entzündungen im Hypothalamus erzeugen, mit offenbar drastischen kognitiven Einbußen: „die Menschen verlieren die Kontrolle wie viel sie essen, wann sie aufhören sollten und welche Auswahl sie beim Essen treffen“ sagt Studienleiterin Marianna Crispino. Wer abnehmen wolle, solle sich strikt von gesättigten Fetten fernhalten, so Crispino.

Ebenso wie die Transfette lagern sich gesättigte Fette an den Gefäßwänden ab und verstopfen die Arterien. Wie eine Teflon Beschichtung wirken dagegen die ungesättigten Fette in Nüssen, Avocados, Leinsamen, Rapsöl und Fisch. Der Superkraftstoff für unseren Körper ist die Omega-3 Fettsäure. Je fetter der Fisch, desto besser für das Herz-Kreislauf-System und das Gehirn – jenes ist immerhin zu 60 Prozent aus Fetten aufgebaut. Beeinflussen Fette womöglich sogar unsere Psyche? „Omega-3 Fett macht glücklich und wirkt gegen Depressionen“, schreiben Ulrich Strunz und Andreas Jopp in ihrem Ratgeber „Fit mit Fett – die Omega 3-Revolution“. „Diese Fettbausteine geben Befehle bis in den Zellkern für die Produktion von Serotonin. Das ist ein Nervenbotenstoff, der Sie glücklich und zufrieden macht und der besonders bei Depressionen vermindert ist. Auch aggressives Verhalten, wie ADHS bei Kindern, kann an zu wenig guten Fetten im Gehirn liegen und wird heute damit behandelt. Die Gehirnfette wirken direkt bis in den letzten Winkel Ihrer Psyche und auf Ihre Gefühlswelt.“ Der Gegenspieler der Omega-3 Fettsäure ist übrigens die Omega-6 Fettsäure. Im Idealfall beträgt das Verhältnis 1:3. In der Realität nehmen wir jedoch 20 mal und mehr von der entzündungsfördernden Omega-6 Fettsäure zu uns.
Sonnenblumenöl, ja oder nein?

Angesichts dieser Tatsache ist es sinnvoll, die Fettquellen im Küchenschrank genauer zu inspizieren. Sonnenblumenöl beispielsweise, egal ob aus konventionellem oder biologischem Anbau, enthält 122mal mehr Omega-6 Fettsäure als Omega-3. Ärgerlich, dass es in zahlreichen Konserven, wie eingelegten Tomaten oder Paprika vorhanden ist und als Basis vieler veganer Brotaufstriche dient. Unterm Strich macht das jeden Supermarkt zum verminten Terrain. Das richtige Fett zu finden, gleicht einer Trüffelsuche. Im Grunde kommen neben Nüssen und Samen fast ausnahmslos frische Produkte in Frage: Fisch, Algen, Avocados, grünes Gemüse und Milch, aber nur solange die Kuh Gras fressen durfte. So oder so, die neuen Fett-Empfehlungen dürften nicht wenigen schlaflose Nächte bereiten, denn: je deftiger, also fetthaltiger das Abendessen, desto unerquicklicher die Nachtruhe. Dass die aber zum Abnehmen mindestens genauso wichtig ist, wissen die wenigsten. Im Schlaf wird nämlich das Hormon Leptin ausgeschüttet, das unseren Hunger bremst und dafür sorgt, das wir auch mal zehn Stunden und mehr auf Essen verzichten können. Bereits eine einzige unruhige, kurze oder gar durchwachte Nacht sorgt für einen unmittelbaren Anstieg des Hunger-Hormons Ghrelin.

Anstatt also voller Enthusiasmus auf die High Fat Welle zu springen, sollten wir uns lieber öfter mal entspannt auf’s Ohr legen.

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