1500 Flüchtlinge sollen in 60-Einwohner-Dorf bei Lübeck kommen

  24 Oktober 2015    Gelesen: 922
1500 Flüchtlinge sollen in 60-Einwohner-Dorf bei Lübeck kommen
1500 Flüchtlinge in einer 60-Seelen-Ortschaft bei Lübeck. Genau das könnte im schleswig-holsteinischen Groß Weeden bald Realität sein. Dort will ein Disco-Betreiber sein Grundstück für ein Erstaufnahmelager zur Verfügung stellen. Das Land bekundet Interesse.
Diskothek-Gelände soll Flüchtlingsquartier werden
Schleswig-Holstein will 1500 Flüchtlinge unterbringen
Unklar, wie Versorgung gelingen soll
Kommunen offenbar zu spät informiert
Normalerweise ist in Groß Weeden in der Gemeinde Rondeshagen nicht viel los. Einmal im Monat pilgert dort das Party-Volk in den 60 Einwohner zählenden Ortsteil Groß Weeden, um in der Großraumdisco "Ziegelei" zu DJ-Musik zu feiern. Doch damit könnte demnächst Schluss sein.
Denn das Land Schleswig-Holstein plant auf dem Gelände der Disco, bis Ende Januar in einem Containerdorf 1500 Flüchtlinge einzuquartieren. In einer Ortschaft, die selbst nur 60 Einwohner hat, wären das 25 Flüchtlinge pro Kopf. In Groß Weeden herrscht seit Bekanntwerden des Vorhabens große Aufregung um die geplante Erstaufnahmeeinrichtung.
Flüchtlinge statt Partygäste
Der Betreiber der "Ziegelei", Sigurd Sierig, hatte das Grundstück zum Verkauf oder zur Verpachtung angeboten - und im Innenministerium war das Interesse groß. Dem Vernehmen nach sind die guten Jahre der Diskothek vorbei. Der Disco-Chef möchte mit dem Gelände weiter Geld verdienen. "Bis Ende November sollen bereits 200 Plätze in 50 Containern, bis Ende Dezember weitere 900 Plätze in zusätzlichen 225 Containern geschaffen werden", heißt es aus dem Innenministerium in Kiel.
Sierig selbst wollte sich gegenüber FOCUS Online nicht weiter äußern. Mit einer Entscheidung rechnet er vermutlich kommende Woche. Darüber hinaus nannte er keine Details. Der Wirbel um die "Ziegelei", mit 4000 Quadratmetern immerhin Norddeutschlands größte Diskothek, scheint ihm inzwischen zu groß zu sein.
Gemeinde "völlig überrascht"
"Die Gemeinden Rondeshagen und Sierksrade sowie das Amt Berkenthin sind von den Planungen des Landes völlig überrascht worden", teilte das Amt Berkenthin in einer Aussendung mit. Am Freitag war auf Nachfrage im Amt Berkenthin, das für die beiden Gemeinden zuständig ist, niemand zu erreichen.
Wie die "Lübecker Nachrichten" berichteten, soll Sierig zunächst dem Landkreis und dem Amt angeboten haben, das Gelände für Flüchtlinge zu nutzen. Dort sei er aber an das Land verwiesen worden, das Interesse bekundete.
Landrat "wundert gar nichts mehr"
Fest steht, dass die Kommunikation zwischen den Kommunen und dem Land nicht optimal verlaufen ist. Auch Landrat Christoph Mager (CDU) zeigt sich im Gespräch mit FOCUS Online unzufrieden. Der Kreis Herzogtum Lauenburg ist zwar nicht zuständig für die Unterbringung der Flüchtlinge. Denn die Verteilung ist Sache des Landes. Doch Mager sagt: "Ich wundere mich, wieso man nicht auf die Kreise zugeht, um geeignete Flächen zu finden".
Der Landrat hat nach eigenen Angaben wie die Gemeinden erst am Montag von den Plänen erfahren. "Mich wundert da inzwischen gar nichts mehr", sagte der CDU-Politiker enttäuscht. Er wirft dem Innenministerium vor, dass das Amt "zu spät informiert worden ist". Im Ministerium war am Freitag zu diesen Vorwürfen niemand zu erreichen.
"Wo sollen denn die vielen Helfer herkommen?"
Noch ist der Vertrag zwischen Sierig und dem Land nicht unterschrieben. Dennoch beschäftigen die Bürger viele Fragen. Auf der Facebook-Seite der "Ziegelei" äußern sich viele Menschen besorgt. Die Behörden hätten wegen der ärztlichen und technischen Versorgung "große Bedenken" gegen die geplante Erstaufnahmeeinrichtung.
Landrat Mager fragt: "Wo sollen denn die vielen Helfer herkommen?" Das Rote Kreuz habe zwar schon Hilfsbereitschaft signalisiert. Doch für 1500 Flüchtlinge würde in Groß Weeden einfach die Infrastruktur fehlen. Laut Mager sei die bisherige Diskothek als Versorgungszentrum vorgesehen.

An diesem Samstag ist in der "Ziegelei" noch einmal Party angesagt. Womöglich könnte der Nachtclub dann zum letzten Mal seine Türen für Partygänger öffnen.

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