Die seltsamen Geheimabsprachen von Grün-Schwarz

  22 Auqust 2016    Gelesen: 808
Die seltsamen Geheimabsprachen von Grün-Schwarz
Dass Grüne und CDU im Südwesten keine Wunschehe bilden, war von Beginn an klar. Die Bruchlinien treten nun in der Diskussion um geheime Absprachen auf. Um einen Streit zu vermeiden, hat man unliebsame Projekte nur im Geheimen geregelt.
Zur medial erwarteten Hundert-Tage-Bilanz wollten die Spitzen der grün-schwarzen Koalition in Baden-Württemberg ein Zeichen sommerlicher Entspanntheit setzen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und sein Stellvertreter Thomas Strobl (CDU) bestritten gemeinsam die beliebte Hörfunksendung „SWR1-Leute“. Sie parlierten über Kakteen, verlässliches Regieren und gemeinsame Arbeitsbiere. Doch die nach außen demonstrierte Entspanntheit entspricht nur teilweise der inneren Verfasstheit des ersten grün-schwarzen Regierungsbündnisses, weshalb die in den letzten Wochen öffentlich gewordenen geheimen Nebenabsprachen zum Koalitionsvertrag zu einiger Aufregung führten.

Für Unruhe innerhalb der Koalition sorgten in den vergangenen Tagen schon die von Strobl befürworteten gemeinsamen Übungen von Bundespolizei, Bundeswehr sowie Länderpolizei. Strobl hatte mehrmals angeboten, solche Übungen, die ohnehin unter dem Kommando der Polizei stattfinden, sehr bald und zuerst in Baden-Württemberg zu machen. Was für die CDU eine Selbstverständlichkeit darstellt, ist aber zumindest für die linken Grünen eine Zumutung. Ähnlich verhielt es sich mit der Diskussion über die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft und ein Burkaverbot, das die Innenminister der Union ins Gespräch gebracht hatten. Strobl äußerte sich gegenüber beiden Vorhaben skeptisch und ersparte der Koalition gerade so einen Streit.

Geheime Papiere und präzise Nebenabsprachen

An der Aufgeregtheit, die solche Debatten produzieren, lässt sich aber erkennen, wie fremd sich die beiden Koalitionsparteien weiterhin sind und wie klein die inhaltlichen Schnittmengen geblieben sind. „Strobl muss natürlich berücksichtigen, dass er Innenminister des Landes Baden-Württemberg ist und nicht der CDU“, heißt es im grünen Regierungslager. Der Bundestagswahlkampf im nächsten Jahr dürfte eine ernste Nervenprobe für die Koalition werden, denn dann wollen CDU und Grüne im Südwesten gegeneinander Wahlkampf machen. Zur Stabilisierung der fragilen Koalition haben sich Kretschmann und Strobl auf außergewöhnlich präzise Nebenabsprachen geeinigt. Während man in der Koalitionsvereinbarung alle Projekte unter Finanzierungsvorbehalt stellte, legte man in einem geheimen Papier, das vor einigen Wochen bekannt wurde, fest, was man bis 2021 für finanzierbar hält.

Jetzt ist durch eine Veröffentlichung der „Südwest-Presse“ eine weitere Nebenabsprache bekanntgeworden, in der sehr präzise Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung benannt werden: Die Grunderwerbsteuer soll im Land der Häuslebauer möglicherweise von fünf auf 6,5 Prozent erhöht werden. Die Kommunen sollen 300 Millionen Euro weniger bekommen. Im Landesdienst sollen 3500 Stellen gestrichen werden. Mit allen Vorschlägen will Grün-Schwarz jährlich 1,8 Milliarden Euro sparen. Das strukturelle Defizit pro Jahr wird mit drei Milliarden Euro angegeben, wenn die Flüchtlingszahlen weiterhin niedrig bleiben sollten, könnte es nur 1,8 Milliarden Euro betragen.

Das Problem dieser sehr detaillierten Nebenabsprachen ist aber, dass damit Parteitagsdelegierte, die über Koalitionsverträge abstimmen, und Landtagsabgeordnete, die den Haushalt verabschieden, zumindest das Gefühl vermittelt bekommen, ziemlich überflüssig zu sein. Auch die Bürger könnten misstrauisch werden. Nach der Veröffentlichung der „Giftliste“ am Samstag schrieben Kretschmann und Strobl dann auch eilig einen gemeinsamen Brief an beide Regierungsfraktionen: Es sei falsch, wenn die Nebenabreden als „Geheimpapier“ bezeichnet würden, schließlich hätten der Ministerpräsident und sein Stellvertreter die Existenz solcher Nebenabreden schon öffentlich bestätigt, heißt es in dem Brief. Den Abgeordneten wird versichert: „Nebenabreden sind letztlich lediglich Willensbekundungen. Sie können weder eine Regierung noch ein Parlament zu irgendetwas verpflichten.“ Solche „präzisen Abreden“ seien aber bei einer Koalition, die niemand angestrebt habe, „zum Aufbau des notwendigen Vertrauens unabdingbar“.

Misstrauen von Parteimitgliedern könnte wachsen
Kretschmann und Strobl schaffen mit ihren Absprachen vielleicht eine Vertrauensbasis in der Regierung, bei den Parlamentariern und Parteimitgliedern könnte jedoch das Misstrauen wachsen. Beide müssen sich deshalb künftig wohl gegen Kritik aus ihren Parteien wappnen. Kretschmanns Zustimmung zur Ausweitung der sicheren Herkunftsländer, seine Ablehnung einer Vermögensteuer, sein Plädoyer für eine unternehmerfreundliche Erbschaftsteuer und seine starke Kritik an einer Umverteilungspolitik passen vielen grünen Funktionären sowieso nicht.

Strobl versicherte zwar in seinem gemeinsamen Radiointerview mit Kretschmann, dass der „Wählerauftrag“ fünf Jahre gelte und es keinen Bruch der Koalition geben werde. In der CDU-Landtagsfraktion teilt diese Meinung aber nicht jeder Abgeordnete. Einige gehen so weit zu sagen, dass man

über einen Verbleib in der Koalition entscheiden müsse, sobald bei den Grünen die Frage nach der Kretschmann-Nachfolge aufkommt. Dann gebe es nämlich eine realistische Chance, wieder selbst den Ministerpräsidenten zu stellen.


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