Streit um Freihandelspakt: Gabriels TTIP-Abgesang irritiert Washington

  30 Auqust 2016    Gelesen: 710
Streit um Freihandelspakt: Gabriels TTIP-Abgesang irritiert Washington
Sigmar Gabriel hält die TTIP-Gespräche für gescheitert - in der US-Regierung sorgt das für Verwirrung: In Washington nimmt man den Verlauf der Verhandlungen gänzlich anders wahr.
Kommt das transatlantische Freihandelsabkommen? Oder kommt es nicht? Seit Monaten hakt es bei den TTIP-Verhandlungen zwischen Europa und den USA. Nun ließ Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sich mit dem Satz vernehmen, dass insgeheim kaum noch jemand an das Abkommen glaube. Die Gespräche seien "de facto gescheitert", so der SPD-Mann.

Bei CDU und CSU sieht man darin ein Wahlkampfmanöver Gabriels. Er wolle das in seiner Partei hoch umstrittene TTIP opfern, um das Ceta-Freihandelsabkommen mit Kanada zu retten, mutmaßen sie in der Union. Die Kanzlerin versichert, die Verhandlungen mit den USA dauerten an, auch die deutsche Wirtschaft reagiert gereizt und mahnt den Minister, nicht vorschnell aufzugeben.

Ähnlich irritiert über Gabriel ist man in den USA. Im Büro des Handelsbeauftragten Michael Froman hält man die Äußerungen des Sozialdemokraten für regelrecht naiv. "Die Verhandlungen machen in Wahrheit ständige Fortschritte", sagte ein Sprecher Fromans SPIEGEL ONLINE. "Es liegt in der Natur von Handelsgesprächen, dass nichts vereinbart ist, bis alles vereinbart ist. Insofern ist es nicht im Geringsten überraschend, dass einzelne TTIP-Kapitel noch nicht förmlich beschlossen worden sind." Man halte wie geplant am nächsten Treffen Mitte September fest, um sich "den Fortschritt genau anzuschauen".

Von einem Scheitern will in den USA niemand reden

Auch in der US-Hauptstadt erkennt man an, wie schwierig die Verhandlungen und wie groß die gesellschaftlichen Widerstände sind. Jedoch sei es nichts Ungewöhnliches, dass die großen Konfliktpunkte erst ganz zum Schluss geklärt würden. Dazu gehöre etwa der Investorenschutz, bei dem die Vorstellungen beider Seiten noch immer weit auseinander liegen. Die USA favorisieren für Streitfälle zwischen Investoren und Staaten private Schiedsgerichte, die Europäische Kommission hingegen will öffentliche Gerichte.

Noch seien vier Monate Zeit, heißt es in der US-Regierung. Von einem Scheitern will hier niemand reden, was auch daran liegen dürfte, dass TTIP als Prestigeprojekt von Präsident Barack Obama gedacht war und niemand so richtig weiß, was nach seinem Abgang kommt. Sowohl Donald Trump als auch Hillary Clinton zeigen sich äußerst kritisch, was das Freihandelsabkommen angeht.

Gabriel gilt in Washington beim Ringen um das Freihandelsabkommen schon länger als schwieriger Gesprächspartner. Über den Zeitpunkt seiner Diagnose und die harte Tonlage ist man dennoch überrascht. Wäre er ein grundsätzlicher Kritiker von Freihandelsabkommen, würde er wohl kaum das Ceta-Abkommen mit Kanada befürworten, so die Lesart. Und so herrscht unter manchen US-Handelspolitikern der Eindruck, der Vizekanzler habe sich offensichtlich dazu entschieden, ganz bewusst das Abkommen mit den USA zu sabotieren.

Die Unterscheidung zwischen TTIP und Ceta ist aus Gabriels Sicht allerdings sehr wichtig: Vom Handelsabkommen mit den USA hat sich der Wirtschaftsminister in den vergangenen Monaten zunehmend abgesetzt. Das kam der Stimmung in weiten Teilen von SPD und Gewerkschaften entgegen, die durch TTIP nicht nur eine Abschaffung von Zöllen, sondern auch eine Absenkung sozialer und ökologischer Standards fürchten.

Gabriel nennt Ceta "Quantensprung"

Das bereits ausverhandelte Ceta-Abkommen mit Kanada verteidigt Gabriel dagegen vehement. Er argumentiert unter anderem damit, dass im Kanada-Abkommen die umstrittenen privaten Schiedsgerichte für Investorenklagen durch einen ständigen Schiedsgerichtshof ersetzt werden sollen. Im Vergleich zu früheren Handelsverträgen sei Ceta ein "Quantensprung", so Gabriel.

Viele Sozialdemokraten überzeugt das aber nicht. Deutliche Kritik an Ceta kam zuletzt etwa vom linken Flügel der SPD und von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller. Gabriel beklagte im ZDF, die Debatte sei "sehr schwierig gewesen, indem das Abkommen mit Kanada und dem der USA in einen Topf geworfen wurde, und das ist falsch".

Quelle : spiegel.de

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