Am Ende der Sendung gab es sogar eine Antwort auf die von Anne Will beharrlich wiederholte Frage, ob denn wohl endlich Ruhe sei in Bayern, wenn die Kanzlerin sich nur dazu durchringen könne, das Wort Obergrenze zu artikulieren. Allerdings war das weniger Markus Söder zu verdanken als einer Frau mit Migrationshintergrund. Und sonderlich beruhigend klang die Antwort auch nicht. Aber dazu später mehr.
Die meiste Zeit hatte der CSU-Mann ("Ertragen lässt sich vieles, selbst diese Diskussion") damit zu tun, sich mit dem CDU-Parlamentarier und Flüchtlingshelfer Martin Patzelt auseinanderzusetzen, der diesmal den Part des Kanzlerinnen-Verteidigers übernommen hatte. Mit der Metapher vom Kapitän, der Kurs zu halten habe, um seiner Verantwortung gerecht zu werden, setzte der gleich mal ein Zeichen.
Während Söder mit bekannter Rhetorik zu kontern versuchte ("Verantwortung hat man nicht nur für eine Meinung, sondern auch für das Volk"), räumte der Kollege von der sogenannten Schwesterpartei beherzt mit einigen "Mythen" auf: etwa damit, dass in der Flüchtlingspolitik nicht längst Restriktionen beschlossen worden seien. "Weshalb werden diese Abmachungen immer in Frage gestellt?", wollte er von der CSU wissen. Irgendwann kam der Moment, in dem der sonst meist verbindliche Patzelt bekannte, er sei "kurz vor dem Platzen".
Und das war gewiss nicht die Schuld des SPD-Kollegen Ralf Stegner, der vom Christdemokraten attestiert bekam, er sei "ganz dicht bei Ihnen", mit folgender Einschränkung allerdings: dass es zu kritisieren sei, wenn die SPD nun die Flüchtlinge gegen die sozial Schwachen auszuspielen versuche. Stegner wiederum, erkennbar in Wahlkampflaune, legte Wert darauf, dass seine Partei nicht die Absicht habe, "der Kugelfang zwischen CDU und CSU" zu sein. Außerdem kritisiere er die Kanzlerin von links und nicht von rechts wie die CSU, die mit der AfD wetteifere. Nein, eine Obergrenze an Humanität gebe es nicht - siehe Verfassung. Wohl aber eine Grenze der Belastung bei der Integration.
Patzelt wollte festgehalten wissen, dass von einem theoretisch denkbaren Notstand infolge massenhaften Asylanspruchs absolut keine Rede sein könne. Die Zivilgesellschaft müsse lernen, mit der neuen Situation umzugehen - sei aber sehr wohl imstande, die nötige Integrationsarbeit zu leisten.
Derweil durfte sich Söder, sonst ziemlich allein auf weiter Flur, zumindest zeitweilig an kritischen Worten des Politologen Wolfgang Merkel über die mit ihm weder verwandte noch verschwägerte "Wir schaffen das"-Kanzlerin erbauen. Doch als dann der ominöse Fünf-Punkte-Plan der CSU aufs Tapet kam, war es auch damit vorbei.
"Mehrheiten sind nicht alles", befand der Professor kühl - sowohl mit Blick auf jene enorme Majorität, die laut SPIEGEL-Umfrage eine andere Flüchtlingspolitik will, als auch angesichts populärer Begehren wie etwa des Burkaverbots ("ein Nebenschauplatz"). Und was die Forderung aus München nach einer Bevorzugung von Flüchtlingen aus dem "christlich-abendländischen Kulturkreis" anbelangt, so ließ das Urteil des Politikwissenschaftler an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Das sei "religiös-ethische Selektion" und "hart an der Rassismus-Frage".
Söder, der mittlerweile über die Kölner Domplatte beim Terrorismus und den Pariser Vororten angelangt war, musste da schlucken und fand das "unfair".
Die Schriftstellerin Jagoda Marinic, Tochter kroatischer Einwanderer, Leiterin des Kulturprogramms des bundesweit ersten International Welcome Centers in Heidelberg und spätberufener Merkel-Fan, brachte dann gegen Ende hin durch kluge Anmerkungen noch eine positive Sicht in die Debatte, der sich selbst Söder nicht ganz verschließen konnte. Zum Thema Doppelpass/Loyalität formulierte sie den vielleicht besten Satz des Abends: Ein Bürger sei schon deswegen nicht Diener zweier Herren, weil ein Bürger kein Diener sei. "Die Diener sind Sie da oben."
Über die Stimmung, die CSU und AfD ausgelöst hätten, blieb ihr indes nichts Gutes zu sagen. Die werde nicht verschwinden. Ob mit oder ohne Obergrenze.
Quelle : spiegel.de
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