Die digitale Zukunft muss warten

  14 September 2016    Gelesen: 604
Die digitale Zukunft muss warten
Keine Zeit, keine Leute: Die Digitalisierung der Wirtschaft hakt in Deutschland vor allem an der Umsetzung in den Unternehmen. Werden viele den Anschluss verlieren?
Die Digitalisierung und Automatisierung der deutschen Wirtschaft sind derzeit in aller Munde und Thema unzähliger Kongresse und Veranstaltungen. Wer will schließlich schon ausgerechnet bei der vierten industriellen Revolution den Anschluss verlieren und durch „disruptive Umbrüche“ vom Markt gefegt werden? Während auf der abstrakten Ebene die Dimension der Herausforderung von immer mehr Unternehmenslenkern erkannt wird, klaffen bei der täglichen Umsetzung der Erkenntnis jedoch noch erhebliche Lücken. Das zumindest legen zwei neue Umfragen nahe, die dieser Zeitung vorliegen.

Angesichts der breiten Debatten, die um die Bedeutung des Themas Digitalisierung hierzulande geführt werden, erscheint vor allem die Aussage von zwei Dritteln der Unternehmensentscheider skurril, schlichtweg keine Zeit für die nötigen Maßnahmen zu haben. Insgesamt gaben 67 Prozent von rund 200 befragten Managern an, sie hätten starke Probleme, die Abläufe zwischen den eigenen Abteilungen sowie zwischen dem Unternehmen und seinen Kunden zu digitalisieren. Zeitdruck entsteht zudem, weil das Ausmaß der Umbauarbeiten an Prozessen und Strukturen in vielen Fällen unterschätzt wird. Außerdem fehlt es in fast jedem zweiten Unternehmen an einem koordinierten Vorgehen für den digitalen Wandel, wie aus einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Berater von Horvath & Partner hervorgeht. Aus vielen Unternehmen ist in der Tat zu hören, dass einzelne Abteilungen - oft konkurrierend - an sogenannten Insellösungen arbeiten, die sich später aber nur schwer oder gar nicht verbinden ließen. Dazu passt, dass laut der Umfrage jeder zweite Entscheider über Konflikte berichtet bei der Frage, wer für die Umsetzung der Digitalisierung verantwortlich ist.

Eine wichtige Aussage ist zudem, dass neun von zehn Verantwortungsträgern berichten, dass die Digitalisierung in ihrem Unternehmen vor allem unter Effizienzkriterien gesehen wird. Die Geschäftsmodelle blieben jedoch die alten. In der Digitalisierungsdebatte wird allerdings häufig die Meinung vertreten, dass Unternehmen für langfristigen Erfolg auch ihre Geschäftsmodelle hinterfragen und gegebenenfalls an die digitalen Möglichkeiten anpassen müssen.

Den Wettlauf um neue Standards nicht verlieren

Ein prominentes Beispiel dafür ist die Automobilbranche. Durch die Entwicklung des autonomen Fahrens (gepaart mit der von Elektroantrieben) treten zunehmend neue Akteure wie Google, Apple oder Tesla am Markt auf. Für die traditionellen Hersteller gilt es deshalb, den Wettlauf um neue Standards nicht zu verlieren. Wie eine Umfrage im Auftrag des Personaldienstleisters Hays zeigt, befassten sich auch mehr als die Hälfte der rund 100 befragten Personalentscheider aus der Automobilbranche schon heute überwiegend mit neuen Themen, die durch Digitalisierung entstanden sind - weitere 12 Prozent tun dies zumindest teilweise. Rund 85 Prozent nehmen zudem an, dass der Zeitaufwand für solche Themen in Zukunft sogar noch steigen wird.

Dazu müssen entsprechende Kompetenzen in der Belegschaft aufgebaut werden. Überraschenderweise setzt dabei mehr als jeder zweite Personalchef eher auf erfahrene Experten, und nur etwas mehr als jeder dritte sieht bei diesem dynamischen Thema einen Vorteil bei Absolventen, die frisches Wissen von der Universität ins Unternehmen bringen können. Als zentrale Anforderung an künftiges Personal nennen die Manager Eigenständigkeit, Kreativität, Flexibilität bei Einsatzzeit und -ort sowie die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. In veränderter Reihenfolge sind dies auch genau jene Eigenschaften, die sie sowohl bei ihren heutigen Mitarbeitern als auch bei den Bewerbern am meisten vermissen.

Was die Entwicklung der Kompetenzen angeht, stellen die Personaler den Hochschulen ein ordentliches Zeugnis aus. Immerhin fast jeder Zehnte ist der Meinung, dass Unis und Fachhochschulen auf der Höhe der Zeit sind, und die Hälfte sieht sie auf einem guten Weg. Nur ein Zehntel findet, dass die Bildungseinrichtungen noch vollständig in alten Denkmustern verhaftet sind.


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