Polizei verhängt Ausgangsperre und führt Kontrollbereiche ein

  17 September 2016    Gelesen: 473
Polizei verhängt Ausgangsperre und führt Kontrollbereiche ein
Rechte Aktivisten haben ihre für Freitag angekündigte Kundgebung abgesagt und dem Bautzener Oberbürgermeister ein Gesprächsangebot gemacht. Der nahm an. Unterdessen richtet die Polizei einen Kontrollbereich ein.
Rechte Gruppen haben eine eigentlich für Freitag geplante Demonstration abgesagt und dem Bautzener Oberbürgermeister ein Gesprächsangebot gemacht, das dieser angenommen hat. In einer Facebook-Nachricht erklärten die unterzeichnenden Gruppen, sie würden Bautzens Politikern die Möglichkeit geben, auf die jüngsten Vorfälle zu reagieren. „Doch wir fordern nicht nur, wir bieten auch Lösungsansätze. Gern sind wir zu einem Gespräch mit Herrn Ahrens bereit.“

Die Polizei richtete unterdessen einen sogenannten Kontrollbereich ein. Dort können ab sofort alle Personen in dem Bereich rund um den Kornmarkt jederzeit angehalten und kontrolliert werden. Die Maßnahme gelte zunächst bis zum 26. September und solle der Verhinderung schwerer Straftaten dienen. Nach Informationen des in Berlin erscheinenden „Tagesspiegels“ hat das Landratsamt Bautzen den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen empfohlen, auch vor der ab 19.00 Uhr geltenden Ausgangssperre im Heim zu bleiben beziehungsweise sich auf dessen Gelände aufzuhalten.

Die als „störend Empfundenen“ würden durch die Ausgangssperre als Sündenböcke stigmatisiert, kritisierte die Migrationsexpertin der Linksfraktion im Landtag, Juliane Nagel. „So haben die Nazis erreicht, was sie wollten.“ Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) sprach von einer „beängstigenden Gemengelage“ in Bautzen. Die Ausgangssperre sei als „kurzfristige Maßnahme“ richtig. „Mittel- und langfristig müssen wir Strategien entwickeln, wie wir beide Seiten zusammenbringen.“ Bei den Rechtsextremen „haben wir es oft auch mit toleranz- und demokratiefernen Schichten zu tun, die wir wieder zurückgewinnen müssen.“

Das Gesprächsangebot der rechten Gruppen, darunter die „Nationale Front Bautzen“ und „rechtes-kollektiv BZ“, nahm der Bautzener Oberbürgermeister am Freitag an. Auf seiner Facebook-Seite erklärte er, er sei immer zu sachlichen Gesprächen bereit. „Gerne können wir über Versäumnisse und Missstände sprechen, wobei ich diesen Themenkreis nicht auf die Verwaltung beschränkt sehen möchte“, schrieb Ahrens. Missstände gebe es auch auf Seiten der Unterzeichner des Redeangebots.

Politische Reaktionen auf Ahrens` Gesprächsbereitschaft kamen bisher nur von der Linken. Die linke Bundestagsabgeordnete Martina Renner schrieb über den Kurznachrichtendienst Twitter, auf diese Weise lernten Neonazis, dass sie für Rassismus und Gewalt belohnt würden.

Obwohl eine rechte Kundgebung für Freitag abgesagt wurde, will die Polizei in Bautzen in den folgenden Tagen weiter stark präsent sein. „Die Lage wird von uns weiter so eingeschätzt wie in den letzten Tagen, und entsprechend haben wir unsere Einsatzkräfte auch für das Wochenende geplant", sagte ein Sprecher der Polizeidirektion Görlitz am Freitag.

Nicht alle rechtsgerichteten Gruppen haben ihre Demonstrationen in Bautzen abgesagt: Auf Facebook wirbt die rechte Aktivistin Ester Seitz für eine Veranstaltung unter dem Motto "Migrantengewalt stoppen! Keine Berliner Zustände in Bautzen!", die am Sonntagnachmittag stattfinden soll.

Die Bundesregierung hat die Ausschreitungen zwischen Flüchtlingen und Deutschen in Bautzen verurteilt. Es müsse dafür gesorgt werden, dass die Gesetze sowohl von Flüchtlingen als auch von einheimischen Bürgern eingehalten werden, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin. Aggressive ,fremdenfeindliche und gewalttätige Ausschreitungen seien „unseres Landes nicht würdig“, betonte sie. Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) nannte die Situation in den Tagesthemen vom Donnerstag „beängstigend“. Sie gestand dabei auch Probleme mit Rechtsextremismus in ihrem Bundesland ein: „Es gibt schon Regionen in Sachsen, wo Rechtsradikalismus und radikalisierte Einstellungen stärker sind als in anderen Regionen.“

Nach den gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Einheimischen und
Asylbewerbern am Mittwochabend hatte der Landkreis Bautzen reagiert und eine Ausgangssperre ab 19 Uhr für unbegleitete, minderjährige Flüchtlinge verhängt. Die Linke hat dieses Vorgehen nun kritisiert. Die als „störend Empfundenen“ würden als Sündenböcke stigmatisiert, sagte die Migrationsexpertin der linken Landtagsfraktion, Juliane Nagel, am Freitag in Dresden. Sie bezeichnete die Ausgangssperre als Eingriff in die Grundrechte und als Beschädigung von Integration. „So haben die Nazis erreicht, was sie wollten“, sagte Nagel.

In der vergangenen Nacht standen sich auf dem Bautzener Kornmarkt linke und rechte Demonstranten gegenüber. Nach Angaben der Polizei hatten sich etwa 350 Personen, darunter auch zahlreiche aus dem rechten politischen Spektrum, auf dem Marktplatz versammelt. Dort stießen sie auf 25 linksalternative Demonstranten, die überwiegend aus Leipzig und Dresden angereist waren, um gegen Fremdenfeindlichkeit zu demonstrieren. Es kam zu lauten, verbalen Auseinandersetzungen zwischen beiden Gruppen. Dabei wurde einem Kameramann auf den Arm geschlagen.

Die Polizei stellte die Personalien eines 30 Jahre alten Tatverdächtigen fest und ermittelt nun wegen Körperverletzung. Insgesamt registrierte die Polizei während des Abends acht Straftaten. Darunter waren auch drei Fälle, in denen verfassungsfeindliche Symbole verwendet wurden. Außerdem wurde eine Parole gerufen, welche die Polizeibeamten als Volksverhetzung werteten.

In der Nacht zum Mittwoch hatten sich etwa 80 fremdenfeindliche Personen und 20 Asylbewerber mit Flaschen und Steinen beworfen. Nach Darstellung der Polizei ging die Gewalt zunächst von den Flüchtlingen aus. Der Landkreis Bautzen zog daraufhin Konsequenzen aus den Vorfällen: Die etwa 30 unbegleiteten, minderjährigen Asylbewerber, die in Bautzen leben, müssen sich an eine Ausgangssperre halten. Nach 19 Uhr dürfen sie ihre Unterkünfte nicht mehr verlassen. Die Jugendlichen müssen sich nun auch an ein Alkoholverbot halten. Vier Flüchtlinge, die im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen am Mittwochabend als „Rädelsführer“ galten, wurden in Unterkünften außerhalb des Landkreises untergebracht.



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