Ärzte wollen Patienten belohnen – auf Kassenkosten

  24 September 2016    Gelesen: 797
Ärzte wollen Patienten belohnen – auf Kassenkosten
Immer denselben Hausarzt zu besuchen, soll sich für Kassenpatienten lohnen. Doch Bonuszahlungen für die Bindung an den Hausarzt stoßen nur begrenzt auf Zuspruch.
Kassenpatienten, die im Krankheitsfall immer denselben Hausarzt konsultieren, sollen dafür belohnt werden. Das verlangt der Deutsche Hausärzteverband. Sein Vorsitzender Ulrich Weigeldt begründete die Forderung so: Wer im Krankheitsfall konsequent als Erstes den Hausarzt aufsuchte, profitierte von einer besseren Versorgung und verhalte sich wirtschaftlich verantwortungsbewusst. Denn der Hausarzt als Lotse im Gesundheitswesen helfe, Kosten zu sparen. Versicherte, die sich in einen sogenannten Hausarztvertrag (HZV) einschrieben, sollten deshalb „hiervon auch einen finanziellen Nutzen haben und einen Bonus erhalten“.

So könnten für diese Patienten Zuzahlungen für Arzneimittel in der Apotheke gestrichen werden, schlug Weigeldt vor. Einige Kassen, wie die AOK Baden-Württemberg und die Bosch BKK, böten bereits Boni an, wenn sich ihre Kunden für eine bestimmte Zeit an einen Hausarzt bänden. Zwar halte der Gesetzgeber die Kassen schon dazu an, für ihre HZV-Versicherten besondere Satzungsleistungen vorzusehen. Doch sei eine Konkretisierung notwendig, „damit die Patienten auch wirklich flächendeckend profitieren“. Die Kassen müssten per Gesetz zum Bonus verpflichtet werden.

Das wäre auch für die Hausärzte ein gutes Geschäft. Denn so eine Verpflichtung dürfte sich auch für die am Hausarztvertrag teilnehmenden Ärzte und seinen Verband positiv auszahlen. Wegen der größeren Wirtschaftlichkeit (und zur Kostendeckung) bekommen die Ärzte eine Einschreibepauschale für jeden teilnehmenden Patienten. Eine dem Hausärzteverband assoziierte Gesellschaft profitiert davon, dass sie die Verträge managt und mit den Kassen abrechnet – was den 17 Kassenärztlichen Vereinigungen ein Dorn im Auge ist, die im Abrechnungsmanagement ihr Kerngeschäft sehen.

Das Echo bei den Gesundheitspolitikern fällt zwiespältig aus
Dass es dabei auch ums Geld geht, machte die Vize-Vorsitzende des Forums Weiterbildung im Hausärzteverband, Jana Husemann, deutlich: „In unserer Praxis haben wir einen Fallwert von unter 40 Euro. Das ist schlichtweg zu wenig. Ohne die HZV würde es kaum gehen.“

Aktuell ist der Verband mit den Kassen 72 Versorgungsverträge eingegangen, in die sich bundesweit 16383 Ärzte und 4,1 Millionen Versicherte eingeschrieben haben. Der Schwerpunkt liegt mit fast 9000 Ärzten und 3,3 Millionen Versicherten in Baden-Württemberg, wo der Ärzteverband mit der dortigen AOK seit Jahren zur oft bekundeten beiderseitigen Zufriedenheit einen Hausarztvertrag unterhält.

Das schwache Echo der übrigen Kassen darauf zeigt allerdings, dass die von den dortigen Erfolgen weniger überzeugt sind, weshalb Verbandschef Weigeldt im Vorfeld der Bundestagswahl auf die Hilfe der Politik setzt. Das Echo bei den Gesundheitspolitikern fällt zwiespältig aus.

Karl Lauterbach, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion, nannte das Verlangen nach einer Verpflichtung der Krankenkassen gegenüber der F.A.Z. „grundsätzlich richtig“. Vorteile, die das Gesundheitssystem aus solchen Verträgen ziehe, müssten auch an die Patienten weitergegeben werden. Nicht zuletzt könnten auf diesem Weg die Einschreibequoten in solche Verträge erhöht werden.

Vorschlag stieß auch bei Bundesspitze der Kassenärzte nicht auf Gefallen
Weniger überzeugt davon ist sein Kollege aus der Union, Georg Nüßlein (CSU). Hausarztverträge kämen nicht für jeden Versicherten in Frage, etwa für jene, die nur selten zum Arzt gingen. „Hier gilt auch, dass wir das Recht auf freie Arztwahl schützen und kein obligatorisches Primärarztsystem einführen wollen“, sagte Nüßlein auf Anfrage. Gesetzlich vorgeschriebene Boni seien kein geeigneter Weg. Die Hausärzte müssten die Versicherten durch ihre Patientenbetreuung und Leistungsqualität überzeugen, an einem Hausarztvertrag teilzunehmen.

Auch an der Bundesspitze der Kassenärzte stieß der Vorschlag auf wenig Gefallen. Gesetzlich verordnete Boni seien überflüssig, wenn die Hausarztverträge wirklich dafür sorgen würden, dass Versorgung bessert werde, sagte Kassenärztechef Andreas Gassen: „Denn dann müssten ja die Krankenkassen automatisch ein Interesse daran haben, dass sie solche Verträge für ihre Versicherten anbieten.“

Zurückhaltend reagierte der Spitzenverband der Kassen: Es sei gut, dass die Kassen unterhalb der gesetzlichen Vorgabe gestalten könnten. „So entstehen Unterschiede zwischen den Krankenkassen, die zu einer echten Wahlfreiheit führen. Wer Wettbewerb will, muss Unterschiede zulassen“, sagte Sprecher Florian Lanz.


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