London blockt EU-Verteidigungspläne ab

  28 September 2016    Gelesen: 975
London blockt EU-Verteidigungspläne ab
Angesichts der veränderten Sicherheitslage prüft auch die EU eine Neusortierung der militärischen Kapazitäten. Bislang scheiterten etwaige Pläne am Widerstand aus London. Und auf den letzten Metern seiner EU-Mitgliedschaft stellt sich das Land weiter quer.
Trotz seines geplanten EU-Austritts stemmt sich Großbritannien weiter gegen Pläne für eine Stärkung der europäischen Verteidigung. Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon erteilte in Bratislava einem von Deutschland und Frankreich vorgeschlagenen EU-Hauptquartier eine Absage. Im November droht nun eine Kraftprobe: London könnte dabei de facto aus der neuen Verteidigungskooperation ausgeschlossen werden.

"Wir werden weiter jedes Vorhaben einer europäischen Armee oder eines EU-Armeehauptquartiers ablehnen", sagte Fallon beim Treffen der EU-Verteidigungsminister. Die Nato müsse "Eckpfeiler" der Verteidigung in Europa bleiben und dürfe durch die EU-Pläne nicht "untergraben" werden.

Von der Leyen: Keine Armee - Fähigkeiten verknüpfen

Berlin und Paris plädieren neben der Schaffung eines EU-Hauptquartiers unter anderem auch für die Gründung eines schnell einsetzbaren Sanitätskorps und eine verstärkte Rüstungskooperation. Ähnliche Vorschläge kamen auch von der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini. Spanien, Italien, Griechenland, Rumänien, Ungarn, Tschechien und Portugal stellten sich nach Angaben aus Diplomatenkreisen hinter die deutsch-französische Initiative. Grundsätzlich seien alle Teilnehmer des Treffens für eine Stärkung der europäischen Verteidigung gewesen, unklar sei nur das Ausmaß, sagte ein Diplomat. Größter Streitpunkt sei das Hauptquartier.

"Es geht nicht um eine europäische Armee, sondern darum, unsere Fähigkeiten in Europa besser miteinander zu verknüpfen", sagte Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen. "Alles, was Europa stärkt in der Verteidigung, stärkt auch die Nato." Die CDU-Politikerin hatte bereits bei der Vorstellung des Weißbuchs Mitte Juli die Pläne umrissen. Dabei hatte sie auch die Hoffnung geäußert, dass die Pläne mit einen EU-Austritt der Briten schneller vorankommen könnten. Denn man habe "lange Rücksicht auf Großbritannien nehmen müssen".

Unterstützung bekamen die Befürworter der Pläne von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg. Er begrüßte in Bratislava eine Stärkung der EU im Verteidigungsbereich. Es gebe "keinen Widerspruch zwischen starker europäischer Verteidigung und einer starken Nato", sagte er. Vermieden werden müssten allerdings doppelte Strukturen, beide Organisationen müssten sich ergänzen.

London könnte EU erpressen

Großbritannien wird noch mindestens zwei Jahre EU-Mitglied bleiben, bis die komplizierten Austrittsverhandlungen abgeschlossen sind. So lange könnte das Land Beschlüsse im Verteidigungsbereich blockieren, die einstimmig fallen müssen. Theoretisch könnte London dies nutzen, um in den Verhandlungen mit der EU über den weiter angestrebten Zugang zum europäischen Binnenmarkt ein Druckmittel zu haben. Fallon drohte in den Gesprächen mit seinen Kollegen laut Mogherini allerdings nicht mit einem Veto. Der Brite verwies aber darauf, dass London mit seinen Bedenken nicht allein sei. Auch andere Regierungen lehnten "Einschnitte in die Souveränität der Nationalstaaten" ab.

Aus EU-Kreisen wurde bestätigt, dass insbesondere das Hauptquartier auch bei anderen Ländern auf Vorbehalte stößt. "Wir sind weit von einem Konsens entfernt", sagte ein EU-Diplomat. Mogherini soll nun versuchen, bis zum nächsten Verteidigungsministertreffen Mitte November ein beschlussfähiges Papier vorzulegen.

Berlin und Paris wollen Vorschläge notfalls auch ohne die Zustimmung Großbritanniens. Sie verwiesen bereits auf ungenutzte Möglichkeiten im EU-Vertrag, auch in einer kleineren Ländergruppe im Verteidigungsbereich voranzuschreiten. Für die sogenannte ständige strukturierte Zusammenarbeit wäre ein Beschluss mit qualifizierter Mehrheit notwendig - London könnte diesen nur blockieren, wenn es mindestens acht Verbündete findet.

Bislang existieren in der EU fünf operative Hauptquartiere, auf die die Gemeinschaft zurückgreifen kann - in Northwood, Potsdam, Rom, dem französischen Mont Valerie und im griechischen Larissa. Sie werden aber bei jedem Einsatz neu mit Personal aus den einzelnen Staaten bestückt, was Wochen bis Monate dauert. Deutschland und Frankreich streben zudem den Aufbau eines gemeinsamen Sanitätskommandos mit einem verlegbaren Hospital und einer europäischen Drehscheibe für den See-, Luft- und Landtransport bei Militäreinsätzen an.

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