Die Situation in einem Steinbruch bei Aleppo wirkt tatsächlich gefährlich. Der ehemalige CDU-Politiker lässt sich davon nicht abhalten, sein Interview mit Abu al-Ezz zu führen, einem Kommandeur der al-Qaida nahen Nusra-Front. Es sollte sein „schwierigstes“ Gespräch überhaupt im Syrien-Krieg werden, wie Todenhöfer im Internet danach schrieb.
Die Mühe lohnte sich. Innerhalb von nur drei Tagen nach Veröffentlichung des Videos im Internet haben es über 700.000 Menschen aufgerufen. Spätestens seit seinem Besuch beim Islamischen Staat (IS) 2014 hat der Journalist eine feste Fangemeinde.
Aber der zehn Minuten und 35 Sekunden lange Film über das Interview ist umstritten. International anerkannte Experten radikaler Islamistengruppen zweifeln an der Echtheit des Interviews mit dem Nusra-Kommandeur. „Eine totale Ente“, befand Hassan Hassan im Internet, der weltweit als IS-Spezialist bekannt ist. „Selbst ein Amateur, der diese Gruppen verfolgt, könnte das sagen. Das alles ist ein Witz.“
Wen hat Todenhöfer da interviewt?
Die betroffene Terrorgruppe Fatah al-Scham, wie sich die Nusra-Front längst nennt, bezeichnete das Interview als eine „Lüge“. Man kenne den Kommandeur nicht, mit dem der deutsche Journalist gesprochen haben will, und auch keinen anderen, der das getan hätte. Todenhöfer habe „keinen Fuß auf ihr Territorium gesetzt.“ Wen hat Todenhöfer dann in Wirklichkeit interviewt, wenn nicht einen Kommandeur von Fatah al-Scham?
Abu al-Ezz, der in einem Unterschlupf im Steinbruch Rede und Antwort steht, wirkt wie ein echter Rebell. Er hat einen schwarzen Schal ums Gesicht gewickelt, Funkgerät und Handgranate hängen an der Munitionsweste. Ohne jede Zurückhaltung gibt das angebliche Mitglied der Nusra-Front angebliche Insiderinformationen am laufenden Band preis. So hätten Offiziere aus der Türkei, Katar, Saudi-Arabien, aus den USA und sogar aus Israel gemeinsam die Al-Qaida-Gruppe direkt in Aleppo unterstützt. Und das auch noch, als die Stadt vom Regime eingekesselt war.
All diese genannten Länder stünden auf der Seite al-Qaidas. Wobei Washington noch etwas ambivalent sei, wie Abu al-Ezz bemerkt. Trotzdem hätten die Amerikaner moderne Raketen direkt an al-Nusra geliefert. Die Golfländer hätten außerdem nach jeder Eroberung einer der Militärbasen der syrischen Armee Millionenbeträge direkt aus ihrer Staatskasse an die Terrorgruppe bezahlt.
Wirklich neu sind diese Behauptungen jedoch nicht. Sie bedienen bekannte Verschwörungstheorien, die besonders das syrische Regime seit Beginn des Bürgerkriegs verbreitet. Demnach sind die Golfstaaten, die USA und auch Israel an allem schuld.
Todenhöfer bestreitet die Vorwürfe
Auffallend ist zudem, dass Abu al-Ezz weder den religiös verbrämten Sprachduktus der Islamisten hat noch die sonst unter den Rebellen üblichen Sprachfloskeln benutzt. Er hat auch Probleme, die islamistischen Fraktionen auseinanderzuhalten. „Das ist nie ein Mann von Fatah al-Scham“, meinen syrische Revolutionsaktivisten. Das Video sei eine Fälschung. Daran gebe es für sie keinen Zweifel.
Todenhöfer bestreitet die Fälschungsvorwürfe. Er habe die Identität von Abu al-Ezz recherchiert und wisse „praktisch alles über diesen Mann.“ Er sei „einfacher, nicht hochrangiger Kommandeur“ und auch „kein Salafist“, sondern ein „Kriegsknecht“, der bei der Nusra-Front nur wegen der besseren Bezahlung diene.
Die Frage stellt sich allerdings, warum Todenhöfer diesen untergeordneten Kommandeur interviewt hat, wenn er nicht repräsentativ für die Islamistengruppe ist und keine Insiderinformationen haben kann. Fatah al Scham ist streng hierarchisch strukturiert. Nur ideologisch geprüfte Mitglieder haben Zugang zu Geheimnissen.
Auch der Ort des Interviews ist strittig
Syrische Beobachter haben versucht, den Ort des Interviews über eine digitale Geolokalisierung zu finden. Sie behaupten, Todenhöfer habe das Interview nicht wie angegeben bei den Rebellen, sondern auf Regimeterritorium geführt. Es wäre jedenfalls für den Journalisten ohne Einwilligung des Regimes sehr schwierig gewesen, in das Rebellengebiet zu fahren.
Todenhöfer hielt sich in dem vom Regime kontrollierten Teil von Aleppo auf und stand unter 24-stündiger Überwachung. Den Weg, den er zurückgelegt haben will, durchreisen im umkämpften Aleppo weder Hilfskonvois noch Flüchtlinge.
Quelle : welt.de
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