Was wir alles können

  03 Oktober 2016    Gelesen: 717
Was wir alles können
Umso ähnlicher Roboter uns Menschen werden, umso dramatischer die Folgen: Nicht nur jedes demographische Problem könnte dann gelöst sein. Bis es soweit ist, sind wir aber vielleicht erst zum Mars geflogen.
Elon Musk ist um vollmundige Ankündigungen nie verlegen. Als er gerade auf dem internationalen Astronauten-Kongress darlegte, wie sein Unternehmen SpaceX erstmals Menschen zum Mars bringen werde, ging es um nicht weniger als das Grundverständnis der Menschheit von sich selbst: „Wir sind an einer Weggabelung angekommen: Ein Weg führt dahin, dass wir für immer auf der Erde bleiben und es wird zum Schluss irgend ein Auslöschungsereignis eintreten. Die Alternative dazu ist, dass wir zu einer Weltraumfahrer-Zivilisation werden und zu einer multiplanetaren Spezies, was - ich hoffe, Sie stimmen zu - der richtige Weg ist.“

An dieser Stelle ist unerheblich, ob Musk sein Raumschiff wirklich so schnell wird losschicken können, wie er sagt. Und ob wirklich schon im nächsten Jahrzehnt ein Mensch erstmals den Fuß auf den Mars setzen wird oder nicht. Viel wichtiger ist: Technisch zumindest ist das (bald) in jeder Hinsicht möglich. Alleine deswegen lohnt es, dass der mitteilungsfreudige Unternehmer nicht zu tief stapelt, sondern diese große Frage aufwirft.

Der rasante technische Fortschritt ermöglicht indes nicht nur in der Raumfahrt, alte Grenzen infrage zu stellen. Neue Erkenntnisse über Künstliche Intelligenz, in der Biotechnologie, Medizin und Digitalisierung wirbeln Verhaltensweisen in vielen Lebensbereichen durcheinander. Und lösen Angst aus.

Zufälligerweise ebenfalls in Mexiko, gar nicht so weit weg von dem Ort, an dem Musk seine Mars-Rede gehalten hat, haben Menschen unlängst neue Maßstäbe gesetzt: Ein kleiner Junge kam auf die Welt mit einem genetischen Vater, einer genetischen Mutter und einem klein bisschen Erbgut von einer anderen Frau. Ärzte ermöglichten der Mutter - mittels einer speziellen Form der künstlichen Befruchtung - doch ein gesundes Kind zur Wert zu bringen, indem sie grob gesagt die Eizelle reparierten, wie das britische Magazin „New Scientist“ berichtete.

Mehr Wohlstand für alle

Tausende Kilometer entfernt und einige Tage später hat auch der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt das Bild von der Weggabelung gebraucht. „Wir stehen an einer Weggabelung, ob wir Innovationsgesellschaft bleiben oder Stagnationsgesellschaft werden“, sagte er am Samstag während des dritten sogenannten Deutschlandkongresses der beiden Unionsparteien in München. Es lässt aufhorchen, wenn gerade ein Vertreter einer konservativen Partei wie der CSU solch im Grunde gravierende Worte wählt. Einer Partei, die ein besonderes Gespür dafür hat, was die Menschen bewegt und was ihnen an Veränderung zugemutet werden kann.

Für uns sehr konkret ist bereits das große Heer an Robotern, dass in Fabriken rund um die Welt Autos und anderes zusammensetzt. Die International Federation of Robotics zählt für das vergangene Jahr 1,6 Millionen in der Industrie eingesetzte Roboter. In den nächsten drei Jahren kommt noch einmal eine Million hinzu, schätzen die Fachleute des Verbands.

Gerade Roboter könnten künftig viel von dem, was wir als gegeben hinnehmen, auf den Kopf stellen. Sie könnten dafür sorgen, dass die Wirtschaftsleistung wieder deutlich stärker wächst. Zumindest in der Theorie könnten sie auch jedes demographische Problem lösen.

Şəkil: ---

Ökonomen des Internationalen Währungsfonds, der nicht dafür bekannt ist, quirlige Utopien zu verbreiten, haben diese Szenarien in einem Aufsatz mit dem Titel „Robots, Growth and Inequality“ in der nüchternen Sprache der Wirtschaftsforscher dargestellt. Sie beschreiben, was passiert, wenn Roboter durch Fortschritte in der Technik und auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz Menschen immer ähnlicher werden. Wenn sie zunehmend Arbeiten übernehmen können, die heute noch Menschen ausführen.

Dann ändert sich nicht weniger als eine Grundannahme darüber, wie Wohlstand entsteht. Bislang beschreiben die Ökonomen Wirtschaftswachstum so: Menschen stellen mit Hilfe von Maschinen alle Güter und Dienstleistungen (Bruttoinlandsprodukt) her, die dann verbraucht werden können. Werden die Menschen weniger oder älter, sinkt auch die Wirtschaftsleistung. Es sei denn, die Maschinen werden so viel besser, dass sie diesen Effekt ausgleichen.

Was aber, wenn Roboter eben nicht wie Maschinen sind, sondern eher dem Bereich der von Menschen geleisteten Arbeit zugeordnet werden müssten? „Wenn wir annehmen, dass Roboter nahezu perfekte Substitute für menschliche Arbeit werden, ist die gute Nachricht, dass die Wirtschaftsleistung pro Kopf steigt“, schreiben Andrew Berg, Edward Buffie und Luis-Felipe Zanna. Sie haben in einer Modellbetrachtung weiter gerechnet und finden heraus: „All dieses traditionelle Kapital und die Roboter - mit einem schrumpfenden Beitrag menschlicher Arbeit - produzieren mehr und mehr. Und Roboter dürften nichts konsumieren, nur produzieren (obwohl die Science-Fiction-Literatur sich in dieser Frage nicht einig ist!). Also gibt es einen immer größeren Güterberg, den sich tatsächliche Menschen aufteilen können.“ So würde sich beispielsweise auch jedes Alterungsproblem quasi von selbst lösen.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman, selbst ein großer Science-Fiction-Fan, hat diesen Gedanken vor einigen Jahren schon folgendermaßen formuliert: „Betrachtet für einen Moment ein (...) Szenario, in dem wir intelligente Roboter herstellen können, die in der Lage sind, all das zu tun, was Menschen tun können. So eine Technologie würde klarerweise alle Grenzen für das Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt einreißen, solange Roboter nicht zum Kapital gezählt werden. Alles was zu tun ist, ist das Verhältnis von Robotern zu Menschen zu steigern, und man bekommt die Wirtschaftsleistung, die man will.“

Natürlich ist das Zukunftsmusik, wie er direkt im nächsten Satz schreibt. Auch die IWF-Forscher um Andrew Berg stellen in ihrem Aufsatz ein alternatives Szenario vor, in dem Roboter eben nicht alle menschlichen Tätigkeiten übernehmen, sondern Menschen in Bereichen, die sehr viel Kreativität und Empathie verlangen, bis auf weiteres uneinholbar bleiben für Maschinen. Aber auch das ändert an ihrem Ergebnis nicht sehr viel.

Das größte Problem bleibt ihrer Analyse nach in beiden Fällen eine wachsende Ungleichheit, deren Ausmaß entscheidend davon abhängt, wem die Roboter gehören - wer also ihre „Rendite“ bekommt. Aber auch das ist kein Grund zu Pessimismus. Verteilungswettstreits sind nichts Neues und sie sind lösbar. Sie scheitern zumindest nicht an einer naturgesetzlichen oder technischen Grenze. „Der Anstieg in der gesamten Produktion impliziert, dass jeder besser dastehen könnte (...) durch entsprechende Umverteilung“, ziehen die IWF-Forscher als Fazit. Mehr Wohlstand für alle also.

Was sie natürlich nicht wissen und geschätzt haben, ist die Zeit, die es noch dauert, bis Roboter so viel können. Wer in diesen Tagen mit Kognitionswissenschaftlern oder Fachleuten für Künstliche Intelligenz spricht, erfährt, dass bis dahin noch viele Jahre vergehen werden. Vielleicht wird am Ende ein Raumschiff von Elon Musk oder der Nasa doch zuvor zum Mars geflogen sein. Wer weiß.



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