Gabriel muss den Abflug machen

  05 Oktober 2016    Gelesen: 974
Gabriel muss den Abflug machen
Die iranische Regierung lässt einen hochrangigen Termin mit Sigmar Gabriel platzen. Der Affront richtet sich gegen seine Kritik im Vorfeld - und ist ein Zeichen für den Machtkampf in Teheran.
Eigentlich wollte Sigmar Gabriel am Dienstagmorgen nur noch mal eben im iranischen Nationalmuseum vorbeischauen, bevor er Parlamentspräsident Ali Laridschani trifft. Doch stattdessen zog sich das Kulturprogramm in die Länge: Gabriel fuhr danach noch ins Islamische Museum und in den Golestan-Palast. Und dann ging es immer noch nicht Richtung Parlament, sondern gleich zum Flughafen.

Grund für die Planänderung: Der Termin mit Laridschani war geplatzt. Der einflussreiche Politiker, einer von Gabriels wichtigsten Gesprächspartnern auf seinem Iran-Trip, schob Termine im Parlament vor.

Die plötzliche Absage war ein diplomatischer Eklat - und ein deutlicher Hinweis darauf, dass Kritik an der Regierung unerwünscht ist. Allerdings zeigt die unschöne Behandlung des ausländischen Gastes auch, welcher Machtkampf in Iran tobt.

Es gibt einflussreiche Kräfte in Teheran, die den Modernisierungskurs von Präsident Hassan Rohani ablehnen. Der muss auch deshalb um seine Wiederwahl im nächsten Jahr fürchten, weil seine Gegner jede sich bietende Gelegenheit nutzen, um der Bevölkerung vor Augen zu führen, dass sie seinen Öffnungskurs für einen Fehler halten.

Deutliche Worte vor der Reise

Gabriel ist für die Anti-Reformkräfte ein leichtes Ziel. Der Wirtschaftsminister und SPD-Chef sagt gern, was er denkt. Entsprechend deutlich wurde er im Vorfeld der Reise in einem Interview mit SPIEGEL ONLINE. Unter anderem ließ er seine Gastgeber wissen, freundschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland und Iran könne es nicht geben, so lange Iran das Existenzrecht Israels nicht anerkenne.

Auch die Menschenrechtssituation sprach Gabriel vor seinem Flug nach Teheran offen an: "Staatliches Handeln muss immer im Rahmen des Rechts und der geschützten individuellen Rechte des Einzelnen stattfinden." Es gebe zum Beispiel in Iran schlimme Menschenrechtsverletzungen, unter anderem die Hinrichtung von Minderjährigen.

So populär diese klaren Worte in Deutschland auch sind, in Iran kamen sie naturgemäß nicht gut an. Selbst die reformorientierten Kräfte sahen sie nicht als besonders hilfreich an. Deshalb verbat sich das iranische Außenministerium eine Einmischung in innere Angelegenheiten.

Und der reaktionäre Teil der politischen Elite reagierte alles andere als zimperlich. Zur Begrüßung des Gastes aus Deutschland bildete eine Zeitung der Revolutionsgarden Gabriel mit stilisiertem Zielfernrohr ab und forderte: "Lasst den Zionistenfreund nicht in unser Land."

Die Stimmung nicht weiter aufheizen

Unmissverständlich äußerte sich auch Sadegh Laridschani, der Justizchef des Landes und Bruder jenes Parlamentspräsidenten, der Gabriel am Dienstag versetzte. "Falls ich in der Regierung oder Außenminister wäre, hätte ich dieser Person nicht erlaubt, ins Land zu reisen", sagte er. Laridschani kritisierte, dass Deutschland dem ehemaligen irakischen Diktator Saddam Hussein Giftgas verkauft habe, das dieser gegen das eigene Volk und iranische Truppen einsetzte. "Nun redet der Wirtschaftsminister dieses Landes von Menschenrechtsverletzungen."

Um die Stimmung nicht weiter anzuheizen, bemühte sich Gabriel in Teheran selbst sichtlich um rhetorische Mäßigung - eine Übung, die ihm zu Hause eher schwerfällt. Inhaltliche Gräben schüttete er bei öffentlichen Auftritten sprachlich so weit zu, wie es eben ging. Seine inoffiziellen Termine nutzte er vor allem, um das gegenseitige Verständnis zu verbessern, etwa indem er ausführlich erläuterte, warum das Existenzrecht Israels für Deutschland nicht verhandelbar ist.

Am Ende all der Gespräche waren die wesentlichen Streitfragen - neben Israel und Menschrechten auch die Unterstützung der iranischen Regierung für den syrischen Machthaber Baschar al-Assad - zwar nicht ausgeräumt. Geschadet hat das Miteinanderreden mit Sicherheit aber auch nicht.

Eine Tasse Tee im Kanzleramt

Zumal es bereits ein paar Fortschritte seit der ersten Reise des Wirtschaftsministers in Iran im vergangenen Jahr gegeben hat. So sind Investitionen in Iran für deutsche Firmen inzwischen leichter - wenn auch noch lange nicht einfach. Und das Land selbst hat sich ein wenig mehr in Richtung der internationalen Gemeinschaft bewegt.

Um beim nächsten Besuch in Teheran einen ähnlichen Eklat wie am Dienstag zu verhindern, muss sich aber auch die deutsche Seite bewegen. Irans Präsident Rohani will unbedingt nach Berlin kommen. Bislang hat die Bundesregierung ihn aber noch nicht offiziell eingeladen. Anders als zum Beispiel Frankreich und Italien.

Unter anderem stehen seiner Reise protokollarische Hürden im Weg. Eine strittige Frage ist, ob zum Mittagessen Wein gereicht werden darf oder nicht. Es könnte die Sache erleichtern, wenn Angela Merkel Rohani einfach mal zu einer Tasse Tee ins Kanzleramt bitten würde. Oder sich für Gabriels ausführliches Kulturprogramm in Teheran bedankt, indem sie Rohani die zahlreichen Berliner Museen zeigt.

Quelle : spiegel.de

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