Die schlechte Nachricht: Die Deutsche Bahn zieht sich aus dem Geschäft komplett zurück und setzt stattdessen mehr IC- und ICE-Züge ein, mit „komfortablen Sitzmöglichkeiten“. Unterm Strich schrumpft das Angebot mit klassischen Nachtreisezügen hierzulande auf etwa die Hälfte. Zu groß waren die Verluste der Bahn, 2015 fuhr sie bei einem Nachtzug-Umsatz von 90 Millionen Euro rund 31 Millionen Euro ein. Zu fantasielos waren aber wohl auch die Überlegungen im Management, wie man das kleine, aber legendäre Segment retten könnte.
Ab 139 Euro im Einzelabteil von Berlin nach Zürich
Fantasie scheint Andreas Matthä reichlich zu haben. In „nachtblauen Nightjet-Zügen mit angedeutetem Sternenhimmel“ könnten ÖBB-Fahrgäste künftig durch die Nacht rauschen, schwärmt der ÖBB-Chef in der österreichischen Botschaft. „Lässig statt stressig“ hat das Marketing über das Angebot geschrieben. „Es geht nicht darum, möglichst schnell anzukommen, sondern zur richtigen Zeit“, beschreibt Matthä die Philosophie. So lässig, wie er das Nachtzug-Reisen beschreibt, hätte man es gerne: Die Übernachtung im Hotel gespart und nach der Ankunft des Nightjet-Zugs einen Espresso am Canal Grande in Venedig trinken oder eine Melange auf dem Wiener Stephansplatz. Allein, Berliner werden Wien im Nachtzug nur mit der ungarischen Bahn erreichen – für diese Verbindung sind die ÖBB lediglich Vertriebspartner der Ungarn. Stattdessen neu im eigenen ÖBB-Programm: Berlin– Zürich, über Freiburg und Basel.
Schon für 139 Euro („Sparschienen-Ticket“) soll man auf dieser Strecke ein Bett im Einzelabteil bekommen – Frühstück à la carte sowie Zeitungen inklusive. Knapp zehn Stunden dauert die Fahrt. „Und im Schlafwagen ist ein Nachtsnack mit Prosecco dabei“, wirbt Andreas Matthä. Im Liegewagen gebe es immerhin ein Wiener Frühstück. Vom Ein-, Zwei- oder Drei-Bett-Abteil im Schlafwagen bis zum Sechs-Bett-Abteil im Liegewagen reicht das Angebot. Außerdem bieten acht der 15 internationalen ÖBB-Nachtzüge eine Auto- und Motorradbeförderung an, vier davon in Deutschland: Hamburg–Wien (täglich), Düsseldorf–Wien (vier Mal wöchentlich), Hamburg–München–Innsbruck (täglich) und Düsseldorf–München–Innsbruck (drei Mal wöchentlich). In allen Zügen können sechs Fahrräder transportiert werden. Vom 18. Dezember an sind Tickets auch bei der Deutschen Bahn erhältlich.
Die Bahn will jetzt preissensible, junge Kunden ansprechen
Die Bahn, die bislang auch zwischen Köln und Prag, Köln und Warschau oder von Amsterdam nach München und Innsbruck mit Schlaf- und Liegewagen unterwegs war, hat künftig nachts eine andere Zielgruppe im Blick: junge, preissensible Kunden, die sonst den Fernbus nehmen würden. „Wir wollen uns weiter im Nachtzugverkehr engagieren“, sagte am Freitag Berthold Huber, Bahn-Vorstand für Verkehr und Transport. Als „Verlängerung des Tagesangebots“ beschreibt er die nächtlichen ICE- und IC-Verbindungen, auf denen alle Flex-, Spar- und Aktionspreise sowie Rabatte der Bahncard gelten. Die Bahn verlässt eine Nische: Nur ein Prozent des Konzernumsatzes stammte aus dem Nachtzugverkehr. Bei den ÖBB sind es 17 Prozent. Rund 100 Millionen Euro Umsatz haben die ÖBB zuletzt hier erwirtschaftet, mit einer Mini-Marge von zwei bis drei Prozent, wie Andreas Matthä zugab. Deshalb habe man nur Strecken der Deutschen Bahn (samt Zügen) übernommen, für die es einen Markt gebe. Die ÖBB investieren: 40 Millionen Euro geben sie für die Beschaffung und Renovierung von 42- Schlaf- und 15 Liegewagen der Bahn aus.
Die Eisenbahngewerkschaft EVG äußerte sich kritisch zu der Angebotsumstellung der Bahn. „Nur weil die normalen Reisezüge jetzt auch in der Nacht fahren, bieten diese noch lange nicht den Komfort eines klassischen Nachtzugs“, sagte Gewerkschaftschef Alexander Kirchner. Joachim Holstein, Sprecher des Wirtschaftsausschusses der Nachtzug- Tochter der Deutschen Bahn, wies auf die Unsicherheit bei 300 Bahn-Beschäftigten hin: „Das gut ausgebildete und erfahrene Personal der Nachtzüge soll offenbar auf der Strecke bleiben.“
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