Pablo Iglesias: Eine Demokratie muss sich auf die gesellschaftlichen und sozialen Rechte berufen. Wenn diese Rechte abgekoppelt werden von der Demokratie, wird das gesamte europäische Projekt infrage gestellt. Wenn europäische Demokraten wie Alexis Tsipras in Griechenland diesen Kampf verlieren, führt das zu einer Art Faschismus, wie man ihn etwa in Frankreich mit dem Vormarsch des Front National beobachten kann. Die Rechtsextremen, das sind die Barbaren.
ZEIT: Demokratie oder Barbarei, wir oder die Apokalypse – diese Rhetorik haben auch schon andere politische Kräfte bemüht. Was ist neu an Podemos?
Iglesias: Neu ist, dass bei uns die Menschen im Mittelpunkt stehen. Wir kommen nicht aus irgendwelchen politischen oder öffentlichen Ämtern. Wir sind Menschen, die den Menschen ähnlich sind, die uns wählen. Und wir achten sehr darauf, dass das so bleibt. Kein Abgeordneter von Podemos darf mehr als 2.000 Euro im Monat verdienen, das entspricht dem dreifachen Durchschnittslohn in Spanien.
ZEIT: Ist das alles, das Versprechen, die Menschen in den Mittelpunkt zu stellen?
Iglesias: Es ist unglaublich, dass Menschen wie wir es in diese Institutionen geschafft haben. Es ist unglaublich, dass eine Aktivistin, die gegen Zwangsräumungen vorgegangen ist, heute Bürgermeisterin in Barcelona ist. Es ist unfassbar, dass eine Anwältin im Ruhestand heute Bürgermeisterin in Madrid ist. Viele meiner Kollegen im Europaparlament, die dort in Anzug und mit Krawatte sitzen, leben seit zehn oder fünfzehn Jahren nur von dieser Tätigkeit. Wir sind anders, das merkt man. Deshalb können sie uns nicht ausstehen.
ZEIT: Wie erklären Sie sich selbst den Aufstieg von Podemos?
Iglesias: Dieser Aufstieg ist nur möglich, weil sich die politische Elite gänzlich von den Bürgern entfernt hat.
ZEIT: Podemos ist aus einer Protestbewegung hervorgegangen, dem Movimiento 15M. Was ist Podemos heute, eine Bewegung oder eine Partei?
Iglesias: Podemos hat die Entscheidung getroffen, sich als politische Kraft zu konstituieren. Gleichzeitig haben wir Vorkehrungen getroffen, um die Demokratie innerhalb unserer Partei zu gewährleisten. Über alle Ämter, alle Listen entscheiden die Bürger. Jeder, der will, kann sich bei uns einloggen und mitbestimmen, nicht nur die Parteimitglieder. Wir haben viel vom 15M beibehalten, trotzdem haben wir Strukturen geschaffen, um Entscheidungen treffen zu können.
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ZEIT: Sie wollen die Institutionen von innen heraus verändern?
Iglesias: Absolut, ja. Wir gehen davon aus, dass die Rahmenbedingungen innerhalb der Politik sehr eng gesetzt sind. Wir sind nicht naiv. Wir wissen, dass wir nicht alles verändern können. Es gibt Mächte, die über den Institutionen stehen, die nicht demokratisch sind, mit denen man aber irgendwie klarkommen muss.
ZEIT: Was für Mächte sind das?
Iglesias: Die Mächte der Finanzwelt, zum Beispiel. Die Ratingagenturen, supranationale Institutionen, die über den Nationalstaaten stehen. Das alles haben wir in Griechenland ja erlebt. Wir sind uns dieser Grenzen sehr bewusst.
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