Der Eurasische Koloss, ein Ungetüm, bestehend aus den zwei Köpfen Moskau und Peking. Davor warnt US-Professor Lyle Goldstein in einem jüngst veröffentlichten Artikel. „Zeichen einer sich stetig verbessernden Beziehung zwischen Russland und China sind offensichtlich“, schreibt der Wissenschaftler in seinem Artikel für „The National Interest“.
Aus Sicht des Westens wäre es ein verhängnisvolles Bündnis: Russland schießt nicht nur in Europa quer, sondern greift seit neustem auch in Syrien militärisch ein. China als aufstrebende Großmacht sucht immer häufiger den Schlagabtausch mit den USA. Zusammen könnten die beiden Länder das geopolitische Machtgefüge nachhaltig verändern. Nicht zuletzt, weil sie den UN-Sicherheitsrat als Vetomächte lahm legen können – wie sie es jetzt schon vielfach tun.
Aus diesem Grund sollte der Westen die sich vertiefende Freundschaft genau im Blick behalten. Goldstein zeigt die drei Säulen, auf deren Basis sich der Koloss entwickeln könnte.
1. Gemeinsame Vergangenheit
Die Verbindung der beiden Supermächte reicht lange zurück: Schon 1937 unterstützte Russland China etwa mit einer Lieferung von rund 1000 Flugzeugen und freiwilligen Piloten. Im chinesischen Bürgerkrieg schlug sich das sozialistische Moskau auf die Seite der chinesischen Kommunisten, und belieferte sie mit Technologien und Waffen.
2. Gemeinsame Interessen
China und Russland teilen zahlreiche politische Interessen, schreibt Goldstein in seinem Artikel. Einen wichtigen Wendepunkt in den Beziehungen markiere der Nato-Einsatz in Libyen 2011. Der arabische Frühling und der Ukraine-Konflikt hätten die Annäherung zusätzlich beschleunigt. Beide Staaten befürchteten eine westliche Einflussnahme auf die Innenpolitik.
3. Zeichen in der Gegenwart
Putins Antrittsbesuch nach seiner Wiederwahl 2012 führte ihn zuallererst nach China, gefolgt vom Antrittsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi in Moskau 2013. Auch bei den Siegesfeiern zum Gedenken des Zweiten Weltkriegs besuchten sich die Staatschefs gegenseitig.
Gibt es diesen eurasischen Machtblock?
Bundeskanzlerin Angela Merkel reist an diesem Mittwoch nach China – sieht sie sich dort mit einem neuen Machtblock konfrontiert? Der China-Experte Eberhard Sandschneider von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik bezweifelt das: „Ja, die beiden Staaten haben gemeinsame Interessen. Aber es ist eine ungleiche Partnerschaft“, sagt er im Gespräch mit FOCUS Online.
Chinas Wirtschaft habe sich mit der Etablierung einer Marktwirtschaft über die vergangenen Jahrzehnte erfolgreich entwickelt. Russland sei in einem Oligarchensystem steckengeblieben und habe heute große Wirtschaftsprobleme.
Russland braucht Partner, um die eigene Abhängigkeit vom Handels-Abnehmer Europa zu reduzieren. Viele Optionen hat Russland nicht, denn das Verhältnis zum Westen ist ramponiert“, führt Sandschneider weiter aus. „Da bleibt neben dem arabischen Raum nur China als Ersatzpartner.“
China wiederum sei nur daran interessiert, den gewaltigen Hunger der eigenen Wirtschaft nach Ressourcen zu stillen – ohne sich allerdings zu weit aus dem geopolitischen Fenster zu lehnen. Denn ein gutes Verhältnis zu den USA sei auch für das asiatische Land wichtig für das Wachstum.
Syrien ist Schlüssel zur Bewältigung des Flüchtlingsandrangs
Die meisten der nach Deutschland strömenden Flüchtlinge kommen aus Syrien - eine Verbesserung der Lage in ihrem Herkunftsland gilt als Schlüssel für die Bemühungen um eine bessere Steuerung des Andrangs.
Der Besuch der Kanzlerin darf also durchaus als Signal verstanden werden, dass der Westen oder zumindest Berlin die Vorteile der Geschäftsbeziehungen zwischen Moskau und Peking hervorhebt. Und sich nicht mit einer tiefgehenden Ost-West-Frontstellung oder gar einem Eurasischen Koloss konfrontiert sieht.
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