Hillarys schwächste Stelle

  13 Oktober 2016    Gelesen: 599
Hillarys schwächste Stelle
Pikante Details in den gehackten E-Mails von Hillary Clintons Chefberater belasten die Kampagne. Das Umfeld der Kandidatin ist überzeugt: Der Datenklau ist eine russische Sabotageaktion.
Sergej Lawrow spricht mit grimmiger Ironie. "Die Aufmerksamkeit, die man uns widmet, ist natürlich schmeichelhaft", sagte der russische Außenminister im Interview mit CNN. "Vor einiger Zeit hat Präsident Obama Russland noch als `Regionalmacht` bezeichnet, jetzt heißt es, wir würden die US-Wahl dirigieren. Schmeichelhaft - aber überhaupt nicht untermauert von Fakten."

Moskau gegen Washington, Russlands Außenminister gegen Obama: Im US-Wahlkampf geht es längst nicht mehr nur um Clinton gegen Trump, um Lügen und Videoaufnahmen - es geht auch um internationale Cyberspionage und Verschwörungstheorien.

Anlass für Lawrows Äußerungen sind die jüngsten WikiLeaks-Veröffentlichungen. Am Freitag vergangener Woche begann die Enthüllungsplattform, die von den USA der Kooperation mit russischen Geheimdiensten bezichtigt wird, Tausende E-Mails von Clintons Chefstrategen John Podesta zu veröffentlichen. Das Leak ist für die demokratische Spitzenkandidatin äußert problematisch. Denn in den E-Mails finden sich etliche brisante Details. Inhalte vertraulicher Reden, die Clinton vor Wall-Street-Bankern hielt. Wahlkampfthemen, die das Clinton-Team für schwierig oder gar brenzlig hält. Vorschläge, über welche Journalisten man möglichst positive Geschichten über die Kandidatin lancieren kann. Kurzum: Die E-Mails lenken den Blick auf Clintons schwächste Stellen.

Tagelang stand die Enthüllung im Schatten von Donald Trumps Skandalvideo, doch inzwischen nutzt der Milliardär den Datenangriff, um sich im Wahlkampf wieder Luft zu verschaffen. Die E-Mails erlauben ihm, genau da anzusetzen, wo selbst viele von Clintons eigenen Leuten ihre Zweifel haben: bei ihrer Glaubwürdigkeit.

Besonders pikant scheinen die Redemanuskripte Clintons aus den vergangenen Jahren. In einer dieser Reden an der Wall Street bezeichnete sich Clinton 2014 wegen ihres Wohlstands als von der Mittelschicht "entrückt". In einer anderen ermunterte sie Banker, an neuen Gesetzen zur Finanzmarktregulierung mitzuarbeiten. Das wirft Fragen auf, inszeniert sich Clinton doch im Wahlkampf als Bankenkritikerin und Anwältin benachteiligter Amerikaner.

Die E-Mails enthüllen zudem, dass Clinton wohl auch bei Fragen staatlicher Überwachungsprogramme und im Fall Edward Snowden den unerbittlichen Kurs der Obama-Administration fortsetzen würde. "Ihr Instinkt rät ihr, den Argumenten der Strafverfolgungsbehörden zu folgen", schrieb Podesta im November 2015.

Manche in ihrer Partei fragen: Was, wenn diese Details schon im Vorwahlkampf öffentlich geworden wären?

Nicht alle Inhalte der Podesta-Mails sind brisant, einige sind unfreiwillig komisch, andere banal: Es geht um Risotto-Rezepte und die Frage, ob Hillary Clinton auf Wahlkampfveranstaltungen Witze machen sollte über ihr graues Haar.

In dem Datenpaket finden sich auch Bettelbriefe von Clintons Spendengeldsammlern, die eine Gegenleistung einfordern, zum Beispiel die Einladung zu einem Staatsdiner in Kanada. "Es würde mir viel bedeuten", schrieb der Ex-Botschafter Gordon Giffin im Januar 2016 an Podesta. "Das letzte Mal gab es ein solches Dinner 1997, und damals war ich auch dabei."

Die E-Mails erlauben zudem einen intimen Einblick in die zuweilen profane Rhetorik ihrer Berater und deren Konkurrenzkämpfe. "Das ist mehr `Veep` als `House of Cards`", kommentiert die "New York Times" unter Verweis auf zwei TV-Serien über das Weiße Haus, die eine witzig, die andere düster.

Aber wer steckt hinter der Enthüllung? Amerikanische Geheimdienste sind sich sicher: Russland orchestrierte den Angriff mit dem Ziel, die Wahl zu beeinflussen. WikiLeaks bestreitet, mit russischen Hackern zusammenzuarbeiten, aber in der Sicherheitscommunity gibt es kaum Zweifel daran, dass die Cyberangriffe auf die Kommunikation von Clintons Beratern von Moskau aus gesteuert werden.

Schon im Sommer, als WikiLeaks Tausende E-Mails der Demokratischen Partei veröffentlichte und damit massiv den Auftakt zu Clintons Krönungsmesse in Philadelphia störte, hatten amerikanische Dienste Russland in Verdacht. Von der US-Regierung beauftragte Sicherheitsfirmen fanden damals die Spuren zweier Hackergruppen, die seit Jahren in der Szene aktiv sind: Cozy Bear, hinter der sich der russische Inlandsgeheimdienst FSB verbergen soll, und Fancy Bear, die ein Instrument des Militärgeheimdiensts GRU sein soll.

Just zu dem Zeitpunkt, als die US-Regierung die Russlandverbindung öffentlich machte, tauchte im Internet das Profil des mutmaßlichen Hackers "Guccifer 2.0" auf, der angab, aus Rumänien zu stammen und damit prahlte, WikiLeaks das Material zur Verfügung gestellt zu haben. Dass "Guccifer 2.0" aber in Interviews mit Reportern Schwierigkeiten hatte, auf Rumänisch zu antworten, ließ US-Fahnder vermuten, hinter dem Profil steckten in Wahrheit russische Stellen, die von der Moskau-Spur ablenken wollten.

Steckt "Guccifer 2.0" womöglich auch hinter den gehackten Podesta-E-Mails?

Gegenüber SPIEGEL ONLINE beteuert "Guccifer 2.0" lediglich, nichts mit Russland zu tun zu haben. "Alles, was ich tue, mache ich auf mein eigenes Risiko. Das ist mein eigenes Projekt, auf das ich stolz bin", so der mutmaßliche Hacker. Er kündigte an, in den kommenden Wochen weitere Dokumente aus Clintons Umfeld zu veröffentlichen. "Da kommt noch mehr und mehr."

Dass spekuliert wird, Russland wolle zugunsten Trumps Einfluss nehmen, liegt auch an dessen merkwürdigem Verhalten.

Er äußerte sich nicht nur regelmäßig wohlwollend über Präsident Wladimir Putin. Im Sommer forderte Trump Moskau offen auf, die Kommunikation seiner Rivalin zu hacken. Dass sein Berater Roger Stone vor der jüngsten WikiLeaks-Veröffentlichung öffentlich über eine anstehende Enthüllung spekulierte, passte nur allzu gut in die Erzählung der Demokraten, Trump, WikiLeaks und Moskau steckten unter einer Decke, um Clinton als Präsidentin zu verhindern.

Es sei "kein Zufall", so Clinton-Mann Podesta, dass WikiLeaks die erste Tranche seiner E-Mails zeitgleich zur Meldung über Trumps Skandalvideo veröffentlichte: "Ich bin jetzt seit fast fünf Jahrzehnten in der Politik, aber das ist der erste Wahlkampf, in dem ich es mit russischen Geheimdiensten zu tun habe."

Quelle : spiegel.de

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