Tatsächlich haben alle ein bisschen Recht: Der Zweite Senat erlaubt Gabriel auf dem Handelsministerrat am kommenden Dienstag für Ceta zustimmen, nennt aber Auflagen: Die Bundesregierung muss sicherstellen, dass nur die Teile des Abkommens vorläufig, also vor Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten, angewendet werden, die „unstreitig“ in die Zuständigkeit der EU fallen. Aus Karlsruher Sicht dürfen etwa die Regelungen über den Investitionsschutz, den internationalen Seeverkehr und den Arbeitsschutz nicht vorläufig angewendet werden.
Entscheidungen des Ceta-Ausschusses sind bindend
Falls sich dennoch herausstellen sollte, dass Vorschriften, die in die deutsche Kompetenz fallen, vorläufig angewendet werden, muss die Bundesregierung selbständig aussteigen können. Gabriel muss daher eine Erklärung abgeben und notifizieren, dass die Bundesrepublik die vorläufige Anwendung des Abkommens auch einseitig beenden kann. Dass dies zulässig ist, hält Karlsruhe zwar nicht für eine zwingende Interpretation der entsprechenden Ceta-Klausel, doch die Richter verlassen sich hier auf die Auslegung der Bundesregierung.
Schließlich gibt das Gericht Berlin auf, eine demokratische Rückbindung des Ceta-Ausschusses zu gewährleisten. Zwar ist die Hauptaufgabe des Ausschusses, den Vertrag auszulegen, doch er kann auch Anhänge und Protokolle ändern, seine Entscheidungen sind bindend. Die Kläger hatten befürchtet, dass Hoheitsrechte übertragen und somit die Rechte des Bundestags ausgehöhlt würden. Das Bundesverfassungsgericht gibt auch eine Empfehlung ab, wie der Ausschuss in seine Grenzen verwiesen wird: Beschlüsse dürfen nur auf Grundlage eines gemeinsamen Standpunkts ergehen, der im Rat einstimmig gefasst werden muss. Diese Anregung hatte die Klägerseite in der mündlichen Verhandlung selbst angeregt.
Politische Konsequenzen geben den Ausschlag
In der Entscheidung finden sich aber auch große Teile der Argumente wieder, die Gabriel in der Verhandlung am Mittwoch vorgetragen hatte. Der Zweite Senat begründet die Erlaubnis zur Zustimmung im Rahmen einer Folgenabwägung der politischen Konsequenzen, die einträten, wenn Gabriel gegen Ceta votieren müsste. Der Wirtschaftsminister hatte am Mittwoch ausgeführt, dass die Kanadier die Verhandlungen wohl abbrechen würden, wenn es am kommenden Dienstag keine einstimmige Billigung gebe.
„Kanada würde sich diskriminiert fühlen. Und das zu Recht“, hatte Gabriel gesagt. In den Abkommen mit allen anderen Staaten habe man schließlich die vorläufige Anwendbarkeit vereinbart. Diese Ausführungen überzeugten die Verfassungsrichter. Durch ein Scheitern von Ceta würden nicht nur die Außenhandelsbeziehungen zwischen der EU und Kanada beeinträchtigt, zu erwarten seien auch negative Auswirkungen auf Verhandlungen von Abkommen mit anderen Staaten. Für die „irreversiblen Schäden“ eines so weitreichenden Eingriffs in die Gestaltungsfreiheit der Bundesregierung in außen- und handelspolitischen Fragen wollten die Verfassungsrichter nicht die Verantwortung übernehmen.
Bundesregierung will Auflagen erfüllen
Gabriel sagt am Donnerstag in Berlin, die Bundesregierung werde die drei Auflagen „selbstverständlich“ erfüllen, das sei „relativ problemlos“. In Karlsruhe hatte er schon vorgetragen, dass er die Erklärung über den Ausstieg aus der vorläufigen Anwendbarkeit abgeben könne. Das Problem an diesen Absprachen zwischen dem Verfassungsgericht und der Bundesregierung: Sie sind ohne die EU gemacht. Denn das letzte Wort über die Auslegung von Ceta und über die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der EU und den Mitgliedstaaten hat nicht Karlsruhe, sondern Luxemburg.
Tags: