Aber noch verräterischer als der öffentliche Zweifel an der Weisheit der Führung ist, was ungesagt bleibt oder totgeschwiegen wird. Ungesagt bleibt, dass bereits ein ähnlicher Beschluss von 2013 gescheitert ist. Er erlaubte es Ehepaaren, ein zweites Kind zu bekommen, wenn ein Partner Einzelkind ist. Statt der erwarteten vier Millionen Geburten kamen im vergangenen Jahr nur knapp 500.000 Kinder zusätzlich zur Welt.
Viele Chinesen, gerade in den Großstädten, wollen keine Kinder – geschweige denn zwei. Die jungen Ehepaare kämpfen verbissen darum, in ihrem aktiven Berufsleben so viel zu verdienen, damit sie sich eine eigene Wohnung leisten können. Bei den aktuell sehr hohen Immobilienpreisen brauchen die meisten im Durchschnitt über 30 Jahre dafür. Mit einem Kind, oder gar zwei Kindern, können sie den Traum von der Eigentumswohnung gleich vergessen. Die individuellen Lebenskonzepte der urbanen chinesischen Bevölkerung scheinen über der Staatsräson mehr Kinder zu bekommen zu obsiegen.
Totgeschwiegen wird, dass die chinesische Ein-Kind-Politik in der Breite nie erfolgreich war. Gerade die Bauern auf dem Lande, wo seit Beginn der Reformpolitik Anfang der 1980er Jahre politische Kontrolle der Partei deutlich nachlässt, scheren sich wenig um offizielle Verbote aus Peking. Hier wurden und werden schon seit Jahren mehr Kinder geboren. Ein weiteres Problem sind die bis zu 200 Millionen Wanderarbeiter, die jährlich durch das ganze Land streifen. Sie schlafen ohne Trauschein miteinander und die daraus entstehenden Kinder werden meist nicht registriert.
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