Europa tritt gegen Putins Propaganda an

  30 Oktober 2015    Gelesen: 1049
Europa tritt gegen Putins Propaganda an
Will die EU in Russland Propaganda betreiben? Ein Papier der Bundesregierung wirft Fragen auf - und offenbart ein Dilemma: Der Westen will die Desinformationskampagnen des Kreml kontern, ohne sich selbst zu korrumpieren.
Als die "kleinen grünen Männchen" im Februar 2014 auf der Krim auftauchten, war das Rätselraten groß. Wer waren die Bewaffneten in Kampfanzügen, die keine Hoheitszeichen, dafür aber Masken trugen? Noch während der Mummenschanz andauerte, erklärte Russlands Präsident Wladimir Putin, er erwäge keine Annexion der Krim. Später stellte sich das Gegenteil heraus - und die "kleinen grünen Männchen" entpuppten sich als Mitglieder russischer Spezialeinheiten.

Es war ein Musterbeispiel für die "Hybride Kriegführung", die Moskau inzwischen perfektioniert hat: Militärische Operationen werden unter dem Schutz von Desinformation eingeleitet und dann unter einem wahren Propaganda-Feuerwerk ausgeführt. Ob auf der Krim, in der Ukraine - etwa beim Abschuss von Flug MH17 - oder in Syrien: das Muster ist überall ähnlich. Der Kreml verbreitet Halbwahrheiten und Fehlinformationen, Massenmedien unterstützen ihn tatkräftig. So lange, bis es am Ende nicht mehr nur eine, sondern viele Wahrheiten zu geben scheint.
Westliche Regierungen wollen der russischen Propaganda jetzt entgegentreten. Doch sie stehen vor einem Dilemma: Wie soll das gehen, ohne selbst Propaganda zu betreiben? Wie schmal dieser Grat ist, zeigt jetzt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken-Fraktion im Bundestag, die SPIEGEL ONLINE vorliegt.

"Vorantreiben politischer Ziele"

In dem Dokument geht es um das "Strategische Kommunikationsteam Ost" des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS). Um "Russlands laufenden Desinformationskampagnen entgegenzuwirken", hatten die EU-Staats- und Regierungschefs am 20. März die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mit der Erstellung eines "Aktionsplans über strategische Kommunikation" beauftragt. Ein zentraler Bestandteil: die "East StratCom Task Force" unter Leitung des Briten Giles Portman, die am 1. September ihre Arbeit aufgenommen hat.

Der Sinn der strategischen Kommunikation, so steht es ganz offen in Mogherinis Aktionsplan, sei das "Vorantreiben der politischen EU-Ziele in der östlichen Nachbarschaft". Dazu sollen "das gesamte Medienumfeld" gestärkt werden und "unabhängige Medien unterstützt werden". EU-Informationen sollen insbesondere in russischer Sprache verbreitet, Journalisten aus- und fortgebildet werden.

Die "Zielländer" seien Russland, die Ukraine, Georgien, Moldau, Weißrussland, Armenien und Aserbaidschan, antwortet die Bundesregierung auf die Anfrage der Linken. "Die konkrete Unterstützung unabhängiger Medien" erfolge über "verschiedene Finanzinstrumente" der EU-Kommission und der Mitgliedstaaten. Eine genaue Kostenaufstellung sei nicht möglich, es kämen aber "verschiedene Budgetlinien" in Frage.

Unterstützung für "unabhängige Medien"

Sind Medien, die von einem Akteur mit politischen Interessen unterstützt werden, noch unabhängig? Wollen westliche Regierungen am Ende gar Journalisten in Osteuropa und Russland für genehme Berichterstattung bezahlen?

Die Linke vermutet genau das. "Die EU-Kommission und die EU-Mitgliedstaaten unterstützen nichtstaatliche Medien in Russland wirtschaftlich", kritisiert der Abgeordnete Alexander Neu. "Das bedeutet: Sie greifen unmittelbar in die Medienlandschaft Russlands ein." Neus Parteifreund Andrej Hunko hält es für "brandgefährlich, wenn Regierungen und Militärs versuchen, die Informationshoheit zu erlangen und dabei Objektivität vorgaukeln".

Beim EEAS bestreitet man das vehement. "Wir wollen die Arbeit der EU erklären und sie sichtbarer machen", sagt ein EU-Beamter. Dabei müsse man "äußerst exakt" vorgehen. Die Task Force gebe ausländischen Medien keine finanziellen Zuschüsse, schon weil sie praktisch gar kein eigenes Budget habe. Sie agiere vielmehr als Koordinationsstelle für die einzelnen Programme der beteiligten Institutionen.

Das aber sind nicht wenige. Nach Angaben der Bundesregierung sind EU-Institutionen und -Mitgliedstaaten, Partnerländer der EU sowie regionale und internationale Organisationen an der Ost-Kommunikation beteiligt. Mit im Boot sind auch die USA und die Nato, etwa in Gestalt des Exzellenzzentrums für Strategische Kommunikation in Riga. Konkrete Projekte gibt es bereits. So hat Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier den baltischen Staaten im April Hilfe beim Aufbau russischsprachiger Medien zugesagt.

Rohrkrepierer-Gefahr für den Westen

Die von der Task Force koordinierten Aktivitäten hätten grob geschätzt ein Gesamtvolumen von 20 bis 30 Millionen Euro, sagt ein Insider. Verifizieren lässt sich das kaum, da die Einzelmaßnahmen aus diversen Budgets bezahlt werden.
Sollte die Summe stimmen, wäre sie vergleichsweise bescheiden. So hat allein der russische Staatssender "Russia Today" (RT), der seit November 2014 auch ein deutsches Programm unterhält, ein Budget von rund 250 Millionen Euro. Doch auch eine kleine westliche Unterstützung könnte zum politischen Rohrkrepierer werden: Würde sie bekannt, drohte den betreffenden östlichen Medien ein dramatischer Glaubwürdigkeitsverlust - ganz zu schweigen vom Ärger, den sie sich etwa mit dem Kreml einhandeln würden.

In Staaten, in denen die Opposition unterdrückt werde, dürfe man "das Meinungsmonopol einer Diktatur nicht stehen lassen", sagt der CDU-Europapolitiker Elmar Brok. Doch Demokratien sollten dabei alles unterlassen, "was den Prinzipien der freien Presse widerspricht", so Brok. "Wir dürfen nicht den Fehler begehen, die Methoden der anderen Seite anzuwenden." Dass man sich die Wahrheit nicht einfach zurechtbiegen kann, könne zwar ein kurzfristiger Nachteil sein. "Aber langfristig gewinnt das freiheitliche System."

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